61. Ausgabe, 2. Quartal 2016

Wer zuletzt lacht

Diese Glosse ist schon einmal geschrieben worden. Vier Wochen früher. Stundenlang hatte ich da schon mal vor dem Bildschirm gehockt. Mir die Fingernägel krumm geknabbert und nach der zündenden Idee für eine tolle Pointe gesucht. Die Leser  sollten sich vor Überraschung auf die Schenkel hauen und sich mit einem Lachkrampf herumschlagen, länger als die 5-Minuten-Terrine.

Dann hatte ich DIE Idee ...

... noch nicht zu Ende gedacht, als es plötzlich plingte und sich eine E-Mail ankündigte. Die Betreffzeile war so verheißungsvoll und der Absender eine so sexy Pressestelle, dass der lustvolle Journalist in mir nachgab – an der Tastatur.

Ich klicke also aufs Word-Dokument und erblicke ein ziemliches Kauderwelsch. In welche Sprache hat sich denn da einer verkeilt? Nur zwei Zeilen kann ich entziffern: „Können Sie den Text nicht lesen, aktivieren Sie bitte die Makros.“

Kummer mein Kleinster, also auch das getan und schwupps lädt sich ein lustiger Trojaner mit dem Dateinamen „ladybi.exe“ auf die Festplatte. Wer kann denn ahnen, dass der kleine Trojaner jetzt so richtig auf Touren kommt? In einem Affentempo modelt das kleine Mistvieh meine fast fertige Glosse in eine hash.locky-Datei um. Und damit ist sie vor mir und jedem Leser so sicher wie die Bank von England vor den richtig bösen Buben. Das Ding ist so fest verschlüsselt, dass sich sogar mein Nachbar, der immer damit prahlt, dass er mit Computern besser kann als Steve Jobs und Bill Gates zusammen, kleinlaut vor seinen Atari trollt.

Jetzt wird klar: Diese fiese Trojanerbande will Geld von mir. Genauer gesagt, BitCoins. Kann man nicht nachverfolgen. Zahle ich, schicken sie mir den Entfesselungs-Code. Aber tun die das wirklich?

© panthermedia.de | Piotr_Pawinski

Ich rufe Gott und die Welt an, jeden, dem ich zutraue, entweder mit dem Computer oder mit der Waffe umgehen zu können. Keiner kann helfen. Und was wird jetzt aus meiner Glosse?

Ich starre auf meinen pechschwarzen Bildschirm. Blitzartig fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren: Ich entdecke den unbeugsamen Ritter in mir und bleibe hart.

Statt zu zahlen, schreibe ich eine neue Glosse. Die Ganoven dürften ziemlich blöd aus der Wäsche gucken. Wer zuletzt lacht, das bin ich.
Also ich find das lustig.

Autor: juj