
66. Ausgabe, 3. Quartal 2017
500 Jahre Reformation – Die Wartburg in Thüringen
Martin Luther: in nur elf Wochen das Neue Testament übersetzt
Hoch und stolz erhebt sich die Wartburg am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes über der Stadt Eisenach. Wie kaum eine andere Festung ist die Wartburg eng mit der Geschichte Deutschlands verknüpft. Im dritten Teil unserer Serie über den Reformator Martin Luther blicken wir auf seine Zeit auf der Wartburg und erzählen, warum ein Besuch besonders lohnt.
Der Sage nach wurde die Wartburg 1067 von Ludwig dem Springer gegründet. Ihr Name Warte bedeutet Wach- oder Wächterburg. Wirklich nachgewiesen beginnt die Geschichte der Wartburg erst seit den 1150er Jahren mit dem Einzug der Ludowinger. Unter Landgraf Ludwig II. entstanden zwischen 1156 und 1162 die ersten Teile der Wartburg. Allerdings: Die heutige Wartburg und ihre Parks gehen auf Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach zurück. Von 1853 bis 1859 wurde, unter Einbeziehung wenig verbliebener Teile, neu gebaut.
Schönes und Schreckliches
Warum gilt die Wartburg als fester Begleiter der deutschen Geschichte? Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen:
- Von 1211 bis 1227 lebte hier die heiliggesprochene Elisabeth von Thüringen.
- Johann Wolfgang von Goethe besuchte die Wartburg mehrfach – erstmals 1777.
- Am 18. Oktober 1817 lud die Jenaer Urburschenschaft anlässlich des 300. Jahrestages des Thesenanschlags Martin Luthers am 31. Oktober 1517 und im Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) zum ersten Wartburgfest auf die Burg ein. Das zweite Fest fand dann im Revolutionsjahr 1848 statt.
Was kaum einer weiß – mit der Wartburg ist auch Unangenehmes und Schreckliches verbunden: Im Frühjahr 1939 wurde auf der Wartburg von 13 evangelischen Landeskirchen das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ gegründet. Aufgabe: Konsequente Trennung der Kirchen von allem Jüdischen in allen Tätigkeitsbereichen. Erst 1990 nach dem Umzug des Landeskirchlichen Archivs wurden die nach 1945 verschwundenen Akten des Instituts bekannt.

Und Martin Luther? Er wurde am 4. Mai 1521 auf Veranlassung von Kurfürst Friedrich dem Weisen auf die Wartburg gebracht. Gerade erst hatte der Reformator seine Schriften und Thesen auf dem Wormser Reichstag verteidigt und war deshalb geächtet und für vogelfrei erklärt worden. Um ihn zu schützen, dem Kaiser aber nicht öffentlich Widerstand zu leisten, wurde ein Überfall vorgetäuscht und Luther auf der Wartburg versteckt. Hier musste er sich Junker Jörg nennen und sein Aussehen verändern: Aus dem kahlen Luther wurde ein bärtiger Jörg mit der üppigen Haarpracht eines Ritters.
Der Raum, in dem Martin Luther bis zum 1. März 1522 arbeitete, darf als sehr schlicht bezeichnet werden: ein Kachelofen, ein Walwirbel, den der Gottesmann als Fußschemel nutzte, ein Kastentisch, der von der Familie Luther stammte, sowie ein Stuhl. Ein Stockwerk höher gab es dann noch die Vogteistube, die ihm als Schlafzimmer diente.
Die Monate auf der Wartburg gehören wahrscheinlich zu den kreativsten und produktivsten des Wittenberger Reformators. Aus Langeweile griff er dann zur Feder und begann das Neue Testament aus dem Griechischen zu übersetzen – in nur elf Wochen. Ende Februar war das beeindruckende Werk, immerhin musste Luther 27 Bücher übersetzen, vollbracht. Von nun an wurde die Heilige Schrift, die bisher nur eine Lektüre für Gelehrte war, erstmals für alle lesbar, die lesen konnten. Nur einen Tag später, am 1. März, packte Martin Luther dann seine Sachen und ging zurück nach Wittenberg. Auf die Wartburg kehrte Martin Luther nie zurück.
Mythen und Legenden
Offiziell hieß es immer, dass Martin Luther während seiner elf Monate auf der Wartburg diese nie verlassen habe. Tatsächlich aber reiste er einmal heimlich nach Wittenberg, um den Bildersturm dort zu beschwichtigen. Er erreichte, dass die aufgebrachte Menge nicht die gesamten katholischen Kirchenbilder zerstörten. Wieder zurück, begann er sogleich mit den Übersetzungen.
Während seiner Monate auf der Wartburg haderte Martin Luther angeblich immer wieder mit dem Teufel. Angeblich sei ihm der als Hund erschienen, habe sich hinter dem Kamin versteckt oder mit Nüssen nach ihm geworfen. Vermeintlich soll der Reformator ein Tintenfass nach ihm geworfen haben und an der Wand sei ein Tintenfleck geblieben. Legende! Diese Geschichte taucht erst im 17. Jahrhundert bei den Wartburggeschichten auf. Deshalb hatte man an einer Wand den Tintenfleck aufgebracht. Immer, wenn die Pilger alles weggekratzt hatten, wurde er wieder aufgefrischt – bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Auch der originale Tisch, an dem Luther das Neue Testament übersetzte, soll Splitter für Splitter in den Taschen der Pilger gelandet sein – bis er in sich zusammenfiel. Angeblich sollte der Holzspan sogar Zahnschmerzen heilen, wenn so ein Holzstück in den Mund gesteckt werde. Wie gesagt, viele Legenden, die sich um Martin Luthers Zeit auf der Wartburg ranken.

Ein Ausflug lohnt immer
Nicht nur das Leben Martin Luthers zieht jedes Jahr Hunderttausende auf die Wartburg. Auch die Kunstsammlung mit Schätzen aus acht Jahrhunderten, die auf Empfehlung von Wolfgang von Goethe vor nunmehr 200 Jahren ins Leben gerufen wurde, ist ein Muss. Dann sind da die spannenden Führungen durch die Wartburg, welche die deutsche Geschichte anhand von vielen Beispielen und Ereignissen lebendig werden lassen. Wer einmal den Festsaal der Burg bestaunt hat, weiß um die wunderbare Auffassung von Kunst und Umsetzung im 19. Jahrhundert. Konzerte und Veranstaltungen in diesem Raum sind mehr als nur ein Genuss.
Eine weiterer Grund, schnellstmöglich die Wartburg zu erklimmen, ist die nationale Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“, die noch bis zum 5. November zu sehen ist. Die Schau widmet sich den kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der Veröffentlichung der 95 Thesen Martin Luthers. Seine prägnantesten Leitmotive werden bei dieser Ausstellung in den Kontext von 500 Jahren deutscher Geschichte gestellt. Sie ist aufgeteilt in drei Themenbereiche:
- Das Leben um 1500.
- Die Folgen der Luther-Lehre.
- Politische Instrumentalisierung und Vereinnahmung Martin Luthers.
Unser Tipp: Lassen Sie sich diese Ausstellung mit ihren 300 Exponaten nicht entgehen. Es lohnt sich, dafür nach Eisenach zu fahren!

Autor: Thomas Pfundtner
INFOS
Auf der Wartburg 1
99817 Eisenach
Tel.: 03691 2500
Öffnungszeiten und Preise:
täglich 8:30 - 17:30 Uhr geöffnet, das Burgtor wird um 20 Uhr geschlossen.
Vom 6.11. bis 31.03. ist der letzte Einlass in die Lutherstube und das Museum um 16 Uhr.
Preise inkl. Wartburg: 12 €, erm. 8 €, Kinder bis 6 Jahre frei, Schüler 5 €, Gruppen ab 10 Personen: 10 € p.P. Führungen bis 25 Personen: 75 Euro.
Um rechtzeitige Anmeldung wird gebeten: info@wartburg.de
VERANSTALTUNGEN
16.9., 19.30 Uhr Franz-Schubert-Chor Eisenach – Die Macht der Liebe;
23.9., 19.30 Uhr Lange Nacht der Trompete;
08.10., 19.30 Uhr Südthüringisches Kammerorchester – Oratorium „Der Messias“ von Georg Friedrich Händel;
15.10., 19.30 Uhr Chorkonzert – Lutherisches Jubelgeschrey mit dem Landesjugendchor Thüringen und dem Johann Rosenmüller-Ensemble
Alle Veranstaltungen finden im Festsaal statt. Im November gibt es keine Termine. Die Dezemberveranstaltungen sind alle ausverkauft.
Historischer Weihnachtsmarkt: 2. und 3., 9. und 10. Dezember sowie am 16. und 17. Dezember jeweils von 10 bis 19 Uhr. Eintritt 5 Euro.