
63. Ausgabe, 4. Quartal 2016
Alles mit der Hand

Paule, was mein Nachbar aus dem „8.“ ist, wollte in Urlaub. Sonst gab er mir immer seinen Schlüssel. Diesmal gab er sein iPad mit dem „Schmart-Home“. Die sind intelligenter als er und seine Katze zusammen. Hat er gesagt. Und ich habe gedacht: So schwer ist das ja auch nicht.
Allen im Haus hat er etwas vorgeschwärmt. Am Tag seiner Rückkehr und danach wird alles perfekt sein. Die Waschmaschine geht mit seinem Schlafanzug von allein auf Tauchgang. Scheint die Sonne, sind alle Jalousien unten. Lampen in Flur, Küche und Stube leuchten nur, wenn es duster ist. Die Heizkörper machen automatisch dicht, sobald jemand lüftet. Fenster öffnen sich von selbst, wenn ihm mal einer verquer liegt und es müffelt. Sollte seine Waschmaschine jemals den Geist aufgeben, dann mailt sie ihren Defekt künftig selbst an den Kundendienst, bestellt Ersatzteile und vereinbart mit dem Monteur einen Termin. Die Tiefkühltruhe ist mit dem Supermarkt um die Ecke vernetzt. Leert sie sich, wird nachgeordert. Bei einem Defekt ruft sie den Reparaturdienst noch bevor das Eis taut und das Hähnchen verdorben ist. Ein Topspiel im Fernsehen und kein Bier im Kühlschrank – das wird es bei Paule nie wieder geben. Und fährt er auf seinem Drahtesel vom Schrebergarten nach Hause, dann jagd er per Handy die Heizung hoch, heizt den Backofen mit der vorbereiteten Lasagne auf 180 Grad und lässt die Badewanne einlaufen. Taumelt er am Morgen danach verschlafen in die Küche, dann duftet schon der Kaffee aus der Maschine.
So stellt sich Paule sein sorgenfreies Faulenzerleben vor. Und ja, ich bin schon ein bisschen neidisch. Aber nicht lange.
Als Paule aus dem Urlaub kommt, klingelt er kleinlaut an meiner Tür. Mit angesengten Haaren, und einem klitschnassen Koffer in der Hand und auf der Jacke die klebrigen Reste einer Lasagne.
Sein Schmart-Home hat ein Eigenleben entwickelt. Die Waschmaschine ging zwar mit dem Schlafanzug auf Tauchgang, doch das Bullauge war einen Spalt offen. Das Ding bestellte jeden Tag eine neue Tür und weil ja keine eingebaut wurde, auch noch 13 neue Wasserpumpen. Die Jalousien verkeilten sich nach tagelangem Auf und Ab zwischen zwei Vögeln. Die Lampen brannten zwei Wochen volle Pulle. Die Tiefkühltruhe schwamm auf dem Wannenwasser und hatte das Gefühl leer zu sein. Sie kaufte den Supermarkt leer und orderte jeden Tag noch eine Kiste Bier dazu. Die stapeln sich nun vor der Kellertür. Am dritten Urlaubstag zündete der Backofen bei 389 Grad Stufe 4 und spuckte die Lasagne aus. Da es nun muffelte, öffneten sich die Fenster. Die Heizkörper gaben alles und, schwupps, war die Rente der übernächsten fünf Monate durch den Schornstein.
Paule fand nur in einem Trost: Das Badewannenwasser bewahrte ihn vor einem Feuer. Das meiste will er wieder mit der Hand machen.
Autor: juj