
73. Ausgabe, 2. Quartal 2019
Blaues Blut by Breitband

Wenns sommert im Bindestrichland, dann setzt sich die Provinz die Krone auf. Gefühlt jedes Wochenende wird irgendwo in Sachsen-Anhalt eine neue Königin gewählt. Zuletzt die Spargelkönigin von Hohenseeden. Solche Nachrichten schaffen es jedoch kaum in die Schlagzeilen wie der Schmalhans fürs Breitband aus der Regierung. Zur Betonung der Leitkultur in Sachsen-Anhalt wäre der Spargel aber schon wichtig. Spargelfeld oder Kabelschacht, wo ist mehr Heimat? Zweifelsfrei atmet der Acker mehr Geschichte und riecht auch viel erdiger als ein Stummel Glasfaser.
Im Auftrag des Marketings gibt es heute zwischen Altmark und Burgenland so viele Krönchen-Jobs für Bürgerliche, dass Blaublütige wie Prinz Frederic von Anhalt längst vor Neid erblasst sind. Natürlich hat auch Sachsen-Anhalt eine Bierkönigin. In Gommern ist die zu Hause, obwohl man landläufig immer glaubt, in Jommern jibts nur jrüne Jurken. Wir können, verdammt noch mal, auf viele weitere Hoheiten so richtig stolz sein. Es gibt welche für Apfel und Pflaume, Käse und Kraut, Spargel und Schnaps, Bärlauch und Wacholder. Im Saale-Unstrut-Tal regiert die Weinkönigin, in Colbitz eine Heidekönigin, auf dem Zerbster Bollenmarkt bringt die Zwiebelkönigin die Zwiebel zum Weinen. Dessau-Coswig gönnt sich eine Fläming-Königin, Dietfurt eine 7-Täler-Monarchin, in Sangerhausen duftet die Rosenkönigin vor sich hin und in Staßfurt kommt die Salz-Prinzessin vermutlich direkt aus der Küche. Die Prinzessin von Anhalt-Zerbst hat weder Frucht noch Gemüse in der Hand, und der Erdbeerkönig von Loburg hat dort auch nur ein Erbe angetreten und nie ein Feld bestellt. Dafür dürfte die Kuchenlandkönigin Gerbstedt eine begnadete Bäckerin sein. In Wittenberg residierte bis zu seiner Wegsperrung sogar der König von Deutschland.
Worin indes die besonderen Vorzüge der Harzkönigin aus dem Westharz liegen, kann man nur raten. Vermutlich schafft sie es, in einer Stunde mehr Harzer Käse in sich hineinzustopfen als Maronen ins Körbchen zu sammeln.
Im Grunde gibt’s für alles was mit Krone. Bis auf eine Digitalkönigin. Die fehlt ebenso wie, sagen wir, eine Datenautobahn-Prinzesssin oder einen Glasfaser-König. Ach mein Jott, dass tut doch nich sin dürfen! Ohne Breitband ist Heimat ja keine Heimat mehr. Wär’ das nicht ein Job für unseren Digitalminister Prof. Dr. Armin Willingmann? Nicht nur, um unsere rote Laterne in der Breitbandquote zu löschen, sondern auch, um dem bayerischen Bundesheimatvorturner eins auszuwischen.
juj