62. Ausgabe, 3. Quartal 2016

Bompeln für Smombies

Bompeln
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Gestern hat mich einer in der Fußgängerzone umgerannt. Erst dachte ich: Trickdieb, schaust mal, ob die Brieftasche noch ... Ich also dem Typen hinterher und sehe: Der kriegt gar nichts mit. Starrt auf sein Smartphone und hört außer seinen Kopfhörer-Beats nichts. An der nächsten Ecke liegt er auf der Nase. Ein Papierkorb. Er rappelt  sich auf und stolpert weiter – bei Rot über die Kreuzung. Es hupt, es quietscht, jemand kreischt. Bei Hans-guck-auf-den-Boden läuft es trotzdem. Weiter und weiter. Ich schüttle den Kopf und denke: Diese Smombies (*1), es werden immer mehr.

Sie stapfen durch unsere Straßen, rempeln Leute an, aber kriegen außer WhatsApp, Snapchat und Instagram nichts auf die Reihe. Sie chatten statt schauen, sie streamen statt stoppen, sie daddeln statt naddeln ...

Zuerst sind die Chinesen auf die Idee gekommen, die Menschheit vor Smartphone-Junkies zu schützen. Chongqing hat einen Gehweg für sie reserviert. 50 Meter lang, mit Pfeilen auf dem Boden, die zeigen, wo’s langgeht. Antwerpen hat’s nachgemacht: Hier ist der Spruch „Text walking lane“ zwischen die weißen Markierungslinien gesprüht. In London hat man Laternenpfähle mit Polsterung beklebt, um die Generation „Hans guck in die Hand“ vor Beulen zu bewahren. Die Augsburger Stadtwerke sind noch besser: Die hat an zwei Haltestellen rote Blinklichter am Boden installieren lassen, um Handy-Nutzer zu warnen, wenn eine Tram anrauscht. Im Grunde also Bompeln (*2)  für Smartphone-Nutzer.
Und, na logo, gibts für Smombies längst was im App-Store. Eine App macht den Bildschirm transparent. Man sieht auf dem Handy, was vor der eigenen Nase vor sich geht. Was hinter dem Handy liegt, wird wie ein Hintergrund hinter anderen Programmen sichtbar. Aus Japan kommt die App „Anshin“. Sie blockiert das Smartphone, sobald es wackelt.

Und von der University of Manitoba ist  „CrashAlert“ zu haben. Es beschützt Smombies quasi vor sich selbst: Die Kamera mit Bewegungssensor scannt unentwegt den Abstand zu Hindernissen. Wer auf eine Laterne oder eine Mauer zurennt, dem leuchtet ein rotes Rechteck auf dem Bildschirm ins Gesicht. Perfekt, vorausgesetzt, man schaut gerade jetzt auf sein Display.

Wenn das so weiter geht, dann brauchen wir in zehn Jahren eigene Führer, weil wir mit 3D-Brillen auf dem Kopf durch die Straßen rennen. Oder jeder bekommt seinen eigenen Blindenhund, der uns zwischen all den anderen Smartphone-Junkies sicher leitet. Den nennen wir dann freilich anders:
Smodog (*3).

Gut zu wissen:
*1 - Smombie - Die Wortkombination aus den
        Wörtern Smartphone und Zombie wurde im
        Jahr  2015 zum „Jugendwort des Jahres“
        gekürt
*2 - Bompeln - Boden-Ampeln für Smombies
*3 - Smodog - Wortkombination aus Smartphone
       und Dog

Autor: juj