79. Ausgabe, 4. Quartal 2020

Coronanieren für Einsame

Covid-19 ist hartnäckig. Wie eine Klette hängt es seit März an uns. Im Sommer, da war es mal ein paar Wochen verschwunden. Wer weiß wohin? Vielleicht ist es zum Lachen in den Keller ... . Als mancher schon glaubte, es könnte ja da unten verhungert sein, war’s wieder da. Nix mit Runterspülen beim Oktoberfest oder Wegtanzen zu Weiberfassenacht.

Und nun geht kein Schwein mehr vor die Tür. Jedenfalls nicht, wenn es nicht zum Lernen oder Arbeiten geht. Wohin sollen wir auch gehen, wo alles, was Spaß macht, verboten ist. Wir meiden unsere Freunde und Eltern, unsere Sportsfreunde und Skatbrüder. Jeder Einzelne könnte den Tod in sich tragen. Und schwups ist ein neues Verb für die soziale Enthaltsamkeit erfunden worden: coronanieren. Denn inzwischen machen wir Dinge, die uns vor Corona Ekelpickel beschert hätten.

Nehmen Sie meinen Alltag: Ich war wahrlich nie ein Wanderfreund. Und jetzt? Hab ich mir sogar einen Hund angeschafft, nur, um mit ihm allein durchs Viertel zu coronanieren. Oder Pilze. Nie im Leben hätte ich Pilze aus dem Wald angefasst. Pflanzen, auf denen wer weiß was für Getier schon herumgekrabbelt oder sich erleichtert hat. Und erst der Weg dorthin – Millionen Zecken erwarten mich im Unterholz. Heute ist mir das sowas von egal – lieber einen Biss in der Wade als einen Schlauch im Hals. Und lieber einem Wildschwein im Unterholz begegnen als gar keiner Sau in Quarantäne.

Neuerdings coronaniere ich schon nach dem Mittagsschlaf vor der Glotze. Vor lauter Langeweile ziehe ich mir alles von „Vera am Mittag“ bis „Frauentausch“ rein. Ich guck sogar tonlosen Fußball und Silbereisens menschenleere Schlagerei. Der einzige Mensch, den ich seit Wochen zu Gesicht bekommen habe, ist der Amazon-Azubi. Er hat aber nie Zeit für ein kurzes Coronanieren. Ich hab mir bei ihm stillschweigend einen Adventskalender-Bastelbogen bestellt. Jetzt mach ich mir Gedanken, wie ich den fülle. Wenn ich jemanden finde, der mich bis dahin überhaupt noch kennt.

Vielleicht sollte ich mir lieber einen Benefizkalender vom Lions-Club organisieren. Mit dem kann ich nicht nur gemeinnützige Projekte unterstützen, sondern es gibt auch was Schönes zu gewinnen. Beispielsweise hübsche Reisegutscheine. Die sind drei Jahre gültig. Bis dahin könnte ich wieder aus der Quarantäne sein. Und wenn nicht, dann coronaniere ich in der Klapsmühle.

Autor: juj