
69. Ausgabe, 2. Quartal 2018
Lieber Nummer sicher
Seit dem 25. Mai leben Sie im Paradies. Datenschutztechnisch. Keine Sau interessiert sich mehr für Sie. Darf ja auch keiner mehr. Es sei denn, Sie wollen es. Oder der andere hat ein paar Millionen für die saftigen Strafen übrig. Wenn nicht, verschwindet Ihre Persönlichkeit im Lokus der Weltgeschichte. Zumindest aus Facebook, Google, Wikipedia und allen Datenbanken zwischen Honolulu und Hum. Mag sein, dass Sie das toll finden und den Datenschutz-Pionieren am liebsten den Friedensnobelpreis verleihen würden.
Ich finde das selten dämlich. Ich lebe nämlich von Daten und Menschen und von deren Geschichten. Journalisten haben nun echt die A-Karte gezogen. Mir schwant, dass unsere Zunft von den nächsten Bürgermeister-Wahlen so geheimnisvoll berichten muss wie von einem Treffen der anonymen Alkoholiker. Denn Tatsache ist: Niemand verliert gern. Also werden die Loser dieser Welt ganze Heerscharen von Anwälten in die Spur schicken, um ihr Versagen zu vertuschen. So könnte der unterlegene Kandidat in der Redaktion anrufen und sich die Nennung seines Namens als Wahlverlierer verbitten. Dann stünde in der Zeitung: „CDU-Spitzenmann Müller gewann haushoch gegen den Kandidaten, dessen Namen wir nicht mehr nennen dürfen.“
Schwere Zeiten kommen auch auf Sportreporter zu. „Der Spieler, dessen Name nicht hier stehen darf, hat bereits den zweiten Elfmeter der Saison verschossen. Sollte er die Nummer 7 auf dem Trikot tragen, ist das purer Zufall, frei erfunden und hat mit dem Elfmeter auch überhaupt nichts zu tun ...“
Ich fürchte, dass es bald unmöglich sein wird, noch Post zuzustellen. Wer partout seinen Namen nicht in der Öffentlichkeit nennen will, der kann doch nun seinen Namen an Briefkasten und Klingelschild abkleben. Damit wenigstens noch der Pizzabote die richtige Tür findet, kann ja alternativ mit persönlichen Symbolen gearbeitet werden. Ein Emojis mit verbundenen Augen wäre perfekt für Familie Schwarz, eine Tüte Mehl für Müllers, eine Lehmhütte für Lehmanns, drei Eier für Meiers ...
Und noch eins: Ich frage mich, wie es jetzt künftig in Europas Wartezimmern zugeht. Der Arzt, der mit schriller Stimme „Frau Krätze, Zimmer 3“ durch die Praxis brüllt, dürfte ja Geschichte sein. Mediziner, die ihr Arzthonorar nicht in teuren Datenschutzprozessen verspielen wollen, brauchen neue Ideen. Wie wär’s mit Aufrufen dieser Art: „Der gesetzte Mann mit den Fusseln auf der Glatze und der Warze auf der linken Gesichtshälfte, Zimmer 3!“juj
Autor: juj