71. Ausgabe, 4. Quartal 2018

Ruf einfach an!

Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreiben werde: Früher war es besser! Eigentlich hatte ich mir schon als Teenager vorgenommen, anders zu sein als meine Erzeugerfraktion. Modern, offen, immer auf der Höhe der Zeit. Jetzt will ich das nicht mehr. Denn man muss ja nicht jeden Scheiß mitmachen! Ja echt, seitdem ich rausgefunden habe, warum die jungen Leute ihr Handy an den Mund statt ans Ohr halten, hasse ich Sprachnachrichten! Sie stehlen meine Intimsphäre und  meine Zeit.

Wenn ich diese WhatsApp-Sprachnachrichten-Junkies schon sehe, wie sie in der Straßenbahn hocken und allen im Umkreis von 10 Metern ihre „Ähmmmm“ und „Joahhh“ um die Ohren hauen, gespickt mit Grunzlauten, Gähnattacken und Augenrollen. Am liebsten würde ich ihnen die Handys aus der Hand reißen und aus der Bahn werfen. Oder auf den Boden, ehe ich kraftvoll drauftrete. Sie belästigen mich mit ihrem Gefasel. Warum um Himmels willen, können sie das Gejammer ihrer besten Freundin nicht unter Kopfhörer anhören? Muss unbedingt in voll Power abgespielt werden, dass sie gerade Magen-Darm hat? Es interessiert mich nicht! Wirklich nicht! Es wird auch nicht besser, wenn die Antwort als Sprachnachricht als Frage kommt: „Wie ist der Sex mit Deinem Neuen?“ Wen interessiert das? Maximal, wenn die Antwort durchs Abteil schallt und in etwa so lautet: „das sollten wir ausführlich beim Latte besprechen.“ Gute Idee, denke ich. Doch Pustekuchen, die nächste Sprachnachricht lässt keine 5 Sekunden auf sich warten. Ob der Hund noch hinkt ...

Jammerschade, dass noch keine Technik erfunden ist, die die Antwort sofort liefert. Wie toll wär’s doch, wenn man einfach ins Telefon spricht und schon im nächsten Moment die Antwort bekommt. Ach nee; das gibt’s schon?! Nennt sich telefonieren und wurde 1861 vom einem Physiklehrer erfunden. Philip Reis hieß der, wenn ich mich recht erinnere.

Ich mach diesen Mist nicht mehr mit. Wer mir eine Sprachnachricht schickt, erlebt meine Sprachlosigkeit. Denn ich antworte nicht! Schon, wenn mein Handy das kleine Mikrofon zeigt und 2:45 da steht, stehen meine Nackenhaare kerzengerade Spalier. Das hätte man auch in einer einzigen WhatsApp-Nachricht schreiben kennen, nur eben ohne Gelaber und „Ähmmm“ und so. Himmelarschundzugenäht! So schwer ist das doch nicht. Wie lange dauert es denn, zu tippen: „Ich geh noch zu Charlotte, bin zum Abendessen wieder da.“ Zehn Sekunden! Ja, echt: Nur ZEHN! Aber nein, ihr müsst mir Sprachnachrichten schicken. Aber ich höre sie nicht mehr an. Ich lass mir von euch meine Zeit nicht stehlen. Nicht mal mit Kopfhörern.

Es sei denn, ich schicke mal eine zurück. Eine Zehn-Minuten-News, in der ich auf meinem Kamm blase und mir dabei hin und wieder die Nase schnaube. Findet Ihr nervig? Na dann ruft doch einfach mal an.

Michael Genth stellt auf dem KITU-TAG Software- Lösungen von procilon zur IT-Sicherheit vor.

Autor: juj