78. Ausgabe, 3. Quartal 2020

Wenn alles vorbei ist

Eigentlich wollte Wladimir der Pandemie mit einer Schluckimpfung Beine machen. Seine Virologen rieten dem Kremlchef aber davon ab: Ein Russe schluckt klare Sachen nicht, er kippt sie. Dann doch also kein „Prima Sprit“ für alle, sondern Putins prima Piekser für jeden. Seit der Impfstoff die Runde macht, ist Ruhe im Riesenreich. Russland beweist: Niemand muss sich Sorgen machen, ein Leben nach Corona ist möglich. Ob durch einen russischen Impfstoff oder ein amerikanisches Desinfektionsmittel – das Ende ist nah.

Wir sollten uns schon mal freuen. Auf die Explosion der Lebensfreude. Wenn erst die Maske gefallen ist, dürfen wir uns endlich wieder anspucken. Wir werden wieder munter niesen, lauthals singen und frustvoll brüllen können. Ja, wir dürfen sogar wieder abheben. Nach Malle mit dem Kegelclub, auf Ibiza mit den Jungs, nach London zum Shoppen, auf die Malediven mit der Familie; für weniger als dreimal Pommes mit Mayo im Serengeti-Park. Jeder Deutsche muss wieder mindestens einmal im Jahr in die Luft gehen, damit die Lufthansa wieder was zu tun hat.

Niemand muss dabei ein schlechtes Gewissen haben. Wir müssen raus. Denn ohne uns ist die Weltwirtschaft dem Tode geweiht. Nur Konsum bringt uns aus der Krise. Die neue Kaufrausch-Dekade stellt alles in den Schatten, was wir kannten. Es ist erste Bürgerpflicht, einen SUV zu kaufen, eine Schrankwand oder wenigstens eine neue Waschmaschine.
Wie bitte? Die dicken SUVs werden Greta nicht gefallen? Na und, die Welt hatte doch im Frühjahr wahrlich genug Zeit, sich zu erholen.

Jetzt ist unsere Zeit gekommen. Die Menschheit hat das Recht, der Natur ihren feigen Angriff zurückzuzahlen. Lass es wieder aus den Auspuffen qualmen – VW weiß, wie’s geht.  Damit das künftig straffrei ist, müssen alle Abgas-Grenzwerte aufgehoben werden. Jetzt, wo wir mehr Atemmasken im Bau als Feldmäuse auf dem Acker haben, kann uns dicke Luft durch Feinstaub doch nichts mehr anhaben – wir lassen die Dinger einfach weiter unter der Nase baumeln.

Jetzt ist die Menschheit wieder am Zug. Zurück in unsere Konsumtempel, raus in die Staus auf unseren Autobahnen, hereinmarschiert auf unsere Kreuzfahrtschiffe und sämtliche Südfrüchte in uns hineingestopft. Wir tun was Gutes, wir konsumieren für das Überleben und die Weltwirtschaft. Gemeinsam schaffen wir es … unsere Erde bis zum letzten Samenkorn zu plündern. Wär ja noch schöner.

Autor: juj