
4. Ausgabe 2022 | Nr. 87
Roboter erobern die Theaterbühne
Das Digitale ist aus keinem Bereich mehr wegzudenken. Auch nicht aus dem Theater, wenngleich sich das Meiste hinter den Kulissen abspielt. Das Theater Magdeburg geht einen großen Schritt weiter. Es thematisiert auf der Bühne nicht nur Künstliche Intelligenz (KI), auf dem Spielplan steht zudem eine Inszenierung, bei der zwei Roboter die Hauptrollen übernehmen.
Mit einer Aufsehen erregenden Inszenierung hatte das Theater Magdeburg die diesjährige Spielzeit eröffnet. Zu den vier Premieren beim Auftakt gehörte mit „Das Leben ein Traum“ eine Inszenierung, in der das Thema Künstliche Intelligenz (KI) eine wesentliche Rolle spielt. Dafür hat Bastian Lomsché, der zur neuen Schauspieldirektion gehört, das ursprüngliche Stück des spanischen Dramatikers und Poeten Pedro Calderón so überarbeitet, dass der klassische Stoff ins Heute geführt wird. Der Prinz, der im Original vor der Welt verborgen im Keller aufwächst, stellt sich als KI heraus. Als diese die Macht übernimmt, zeigen sich die Unterschiede zwischen Mensch und Technik, vor allem in der Art der Entscheidungen. Es ist nicht nur eine beeindruckende Inszenierung (Regie: Clara Weyde), sondern bietet vielerlei Diskussionsstoff zur technischen und damit zu unserer Zukunft. Welche Koexistenz entwickelt sich? Wie würde sich das Leben verändern, wenn wir der KI die Entscheidungen überlassen?

Dazu geht das Theater Magdeburg noch einen großen Schritt weiter: Im Stück „Nessun Dorma“ sind zwei Roboter auf der Bühne zu erleben. Nur die Roboter. Da ist zum einen ARKA, ein Exemplar aus der Industrie (KUKA-Agilur KR6R700). Im Mittelpunkt der Bühne gibt er sich der Malerei hin. Um ihn herum bewegt sich Putzini, ein aufgepeppter Wischroboter. Klingt erst einmal nicht besonders aufregend – ist es aber. Denn zwischen diesen beiden entwickelt sich eine Liebesgeschichte. Das Besondere: Die Technik wurde so programmiert, dass die Roboter zum Leben erwacht scheinen, mit Emotionen, die zutiefst menschlich wirken. Umrahmt von Opernarien schafft ARKA Kunstwerke, für die ihn Putzini bewundert. Es gibt ein Umkreisen, ein Blinken, Hin- und Wegsehen und plötzlich scheint sie sichtbar: Die Liebe zwischen zwei Maschinen, die eigentlich gar nicht möglich sein kann. Sie flirten, tanzen, streiten, leiden bis zur Selbstzerstörung. Dazu gibt es Text auf der Hintergrundleinwand wie „Wenn ich dich sehe, steht mein nicht vorhandenes Herz still“. Emotionen übertragen sich aufs Publikum. Die Geschichte und das Schicksal der Protagonisten gehen ans Herz. Faszinierend, wie das möglich ist.
Fast vier Jahre hat es gebraucht von der Idee bis zur Aufführung. Zusammengearbeitet haben dafür Regisseurin Elsa-Sophie Jach, Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm, Creative Technologist Markus Schubert und Creative Engineer Sebastian Arnd. Entstanden ist ein künstlerisches Experimentierfeld, bei dem sich die Interaktion von künstlichen Lebewesen mit emotionsphilosophischem Nachdenken verbindet, digitale Wissenschaft mit menschlichen Gefühlen. Die Maschinen wurden so programmiert, dass sie sich sowohl nach Vorgabe verhalten als auch freien Spielraum haben. So erhält ARKA nur den Befehl zu malen – wie er das tut, entscheidet er selbst. Somit entstehen immer andere Bilder. Jede Aufführung ist anders, erklärt Christiane Hercher, Technische Direktorin des Theaters Magdeburg. Zur Programmierung der Bewegungen, durch die u. a. menschliche Assoziationen entstehen, wurden 30 Punkte gekennzeichnet und QR-Codes an der Bühnendecke angebracht, zwischen denen sich Putzini bewegt. Neben den Technikern vor Ort, die vor jeder Aufführung Roboter, Platzierung der Codes und Abläufe einstellen und kontrollieren, steht im Hintergrund Markus Schubert bereit, um im (Programmierungs)Notfall eingreifen zu können. Der Software-Entwickler wird nach jeder Vorstellung zudem für Besuchergespräche per Videoverbindung aus Berlin zugeschaltet und kann über Inszenierung und die technischen Details befragt werden.
BiA