3. Ausgabe 2022 | Nr. 86

Studierende lernen mit digitalen Aufgaben

Für die eine ist Mathematik ein Leichtes, für den anderen ein Buch mit sieben Siegeln. Um es Studierenden an der Hochschule Magdeburg-Stendal leichter zu machen, ihre Lernziele in den mathematischen Teilen ihrer Studiengänge zu erreichen, hat ein Team aus Lehrenden, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden eine digitale Aufgabensammlung entwickelt, von der auf lange Sicht nicht nur die eigenen Studierenden profitieren sollen.

Prof. Reik Donner

„Momentan ist es noch so, dass wir solche digitalen Aufgabensammlungen zunächst für unsere Studierenden entwickeln. Das ist schon eine gewisse Herausforderung, weil unsere Hochschule verschiedene Fachbereiche hat und die mathematischen Werkzeuge, die die Studierenden brauchen, natürlich ganz unterschiedlich sind – ob wir jetzt einen Ingenieur ausbilden wollen oder ob wir einen angehenden Betriebswirtschaftler ausbilden wollen oder vielleicht einen Psychologen, wobei sich aber gewisse Grundkonzepte auch immer wiederholen“, erzählt Professor Reik Donner. Dafür wurden bereits vor der Corona-Pandemie schon Trainingsaufgaben gesammelt und in eine digitale Form gebracht. „Wir haben jetzt innerhalb unseres digitalen Raumes an der Hochschule eine große Aufgabensammlung, die die Studierenden je nach Bedarf nutzen können, um bestimmte Themen selbständig zu vertiefen und bestimmte Arten von mathematischen Problemen an immer neuen Beispielen zu trainieren“, erklärt Professor Donner das Prinzip der Aufgabensammlung.

Das Lernmanagement der Sammlung läuft über die Plattform Moodle, die von vielen Bildungseinrichtungen im Land für die digitale Unterrichts-Unterstützung genutzt wird. Besonders praktisch ist das, weil man verschiedene Plugins je nach den Bedürfnissen der digitalen Umgebung installieren und nutzen kann. „Wir sind gerade dabei, das  Plugin WIRIS auf STACK umzustellen. Damit kann es hochschulübergreifend genutzt werden. Wir können auf bestehende Fragestellungen anderer Hochschulen zurückgreifen für größere Vielfalt in der Aufgabenstellung, und andersherum natürlich auch“, weiß Lisa König, Projektkoordination des von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderten Projekts h²d² (didaktisch und digital kompetent Lehren und Lernen). Ein Vorteil des neuen Plugins wird in der Open-Source-Programmierung mit einer großen internationalen Community an Nutzenden und Programmierenden gesehen. Mittlerweile können Lösungsbäume eingefügt und Folgefehler berücksichtigt werden, sodass im Falle eines Fehlers am Anfang des Rechenwegs nicht alle Punkte am Ende verloren gehen. Ganz abgeschlossen ist die Umstellung auf das neue System noch nicht, weil das Ganze so nutzerfreundlich wie irgend möglich gestaltet werden soll. „Wir können eine Übersetzungshilfe einblenden für die mathematische Sprache, und Korrekturen sind auch möglich“, sagt Lisa König. Begleitet wird die digitale Aufgabensammlung auch durch eine hochschuldidaktische Begleitforschung, es gibt bspw. Befragungen in Sachen Gestaltung und Lernförderlichkeit. Über den Sommer hat die Hochschule Rückmeldungen von den angehenden Bauingenieurinnen und Bauingenieuren eingeholt, um eine erste Einschätzung zu bekommen. Die Studierenden konnten sich über Übungen Extra-Punkte für die Klausur am Ende des Semesters erarbeiten. Lisa König fasst zusammen: „Der Tenor ist: Wer die digitale Aufgabensammlung genutzt hat, hat das positiv erlebt. Allerdings haben auch viele das System gar nicht genutzt. Warum das so ist, ergründen wir gerade.“

Lisa König

Online-Lehre und Selbststudium können so eng und zuverlässig verzahnt werden. Die Studierenden können immer wieder Aufgaben eines bestimmten Typs oder auch mehrere Typen bearbeiten, bis der Stoff sicher sitzt. Und wie in jedem Studiengang braucht manch Studierender nur eine Aufgabe, ein anderer fünf der gleichen Sorte, bis der Groschen endgültig gefallen ist. Professor Donner sagt: „Wir können mit unserer digitalen Aufgabensammlung die Aufgaben automatisieren und mit einem System zur Rückmeldung koppeln. Es reicht ja meistens nicht aus zu wissen, ob ein Ergebnis richtig oder falsch ist. Gerade wenn es falsch ist, muss man daraus lernen können, wo genau der Fehler liegt.“ Aber natürlich läuft das Üben nicht nur automatisch – die menschlichen Tutoren gibt es nach wie vor. Diese Studierenden betreuen den digitalen Übungsraum und stehen als Ansprechpartner bei Fragen zur Verfügung.

Themenübersicht des digitalen Mathe-Lern-Zentrums. Durch Klick auf die Kachel werden die Studierenden direkt in den jeweiligen Themenbereich navigiert.

Momentan steht diese digitale Aufgabensammlung erst einmal den Studierenden der Hochschule Magdeburg-Stendal zur Verfügung. Profitieren können davon aber nicht nur sie, sondern auch die Lehrenden, die Übungsaufgaben daraus für ihre Lehrveranstaltungen nutzen können. Und Professor Donner und seine Kolleginnen und Kollegen denken auch schon weiter über die Hochschul-Grenzen hinaus: „Teilweise sehe ich schon Schülerinnen und Schüler, die richtige Panik vor ihren Abiturprüfungen in Mathematik haben. Solche digitalen Portale wie unseres könnten bei der Vorbereitung helfen und den jungen Menschen über die Rückmeldung Sicherheit geben. Für mich ist das Portal als Vision später einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.“ Selbst Prüfungen könnte man zukünftig mit einer abgewandelten Form der Sammlung digital abnehmen. Und natürlich muss das Aufgabensystem nicht nur auf die bisherigen Felder begrenzt bleiben – Anwendungen in Statistik, Sozial- und Geisteswissenschaften sind denkbar. Möglich ist die automatisierte Korrektur durch das mit dem PlugIn STACK verknüpfte Computer-Algebra-System MAXIMA. „Wir haben auch von anderen Hochschulen die Empfehlung bekommen, die Aufgabensammlung auf einen eigenen Server zu legen, die Gelder dafür haben wir in Zusammenarbeit mit unserer IT im Rahmen des Projekts h²d² beantragt“, weiß Lisa König noch.
Und in dieser Zukunft sieht Professor Donner nicht mehr die gleiche Art von Hochschule für die Studierenden wie die, an der er einmal studiert hat. „Ich glaube nicht, dass es nur noch die eine große Vorlesung für Mathematik geben wird mit 100 Studierenden, sondern zusätzliche Möglichkeiten, bei denen die Bedarfe und Fähigkeiten Einzelner besser berücksichtigt werden können als jetzt“, sagt er. Auch an der Hochschule könne Künstliche Intelligenz vieles in Zukunft unterstützen. „Für die reine, platte Vermittlung von statischem Wissen sind wir Professoren irgendwann überflüssig, da müssen wir auch neue Wege gehen. Wenn es darum geht, Studierende von der Bewerbung bis zum Abschluss zu begleiten, müssen wir als Lehrende und auch die Verwaltung neue, passende, digitale Werkzeuge entwickeln. Ich wünsche mir tatsächlich, dass wir ganz bewusst die digitalen Themen stärker aufgreifen und für uns nutzen“, erklärt Professor Donner. 

Eingabe der errechneten Lösung mit Hilfe des WIRIS Editors

Ariane Amann