81. Ausgabe, 2. Quartal 2021

Verwaltung digital – ein ambitioniertes Vorhaben mit schleppendem Fortgang

Große Veränderungen bahnen sich für die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen an. Beschlossen im Jahr 2017, soll das Onlinezugangsgesetz (OZG) ab 31. Dezember 2022 in Kraft treten. Was soll sich ändern und wie ist der aktuelle Stand?

Auch Verwaltungen sollen mit der Zeit gehen. Digital und miteinander vernetzt, bundesweit mit demselben System. Von jedem beliebigen Verwaltungsportal aus sollen künftig Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen auf alle onlinefähigen Verwaltungsleistungen zugreifen können. So jedenfalls steht es im Onlinezugangsgesetz, dessen Abkürzung OZG gern auch mit „Offensiv Zukunft Gestalten“ übersetzt wird. Vieles soll einfacher, schneller und sicherer werden.

Digitalisiert werden sollen nahezu alle Verwaltungsleistungen: Vom Ausstellen einer Geburtsurkunde, Ummelden beim Wohnungswechsel, Beantragen von Führerschein, Wohngeld oder BAföG, Anmelden eines Hundes bis zum Einholen einer Baugenehmigung soll künftig alles digital ohne Gang zum Amt möglich sein. Anträge auch in Papierform zu stellen, soll allerdings auch weiterhin erhalten bleiben.

Geplant ist das Prinzip „Einer für Alle“ (EfA) – ein Service mit der Möglichkeit, flächendeckend überall genutzt werden zu können. Und das künftig nicht nur bundesweit, sondern in der Digitalisierung für die Mitglieder der Europäischen Union. Vieles könnte vereinfacht werden. Elektronische Identifizierung, Vertrauensdienste für Transaktionen im Binnenmarkt, elektronische Siegel und Zeitstempel, die Sicherheit bei elektronischen Einschreiben und anderen Vertrauensdiensten.

Soweit so interessant und durchaus positiv nachvollziehbar. Doch allein eine Umstellung auf digital 1:1 wird nicht funktionieren. Parallel zur Technik müssen viele Prozesse neu organisiert werden. Das stellt die Verwaltungen vor bedeutende Herausforderungen. Dass das Zeit braucht, muss wohl nicht extra betont werden.

In Kraft treten soll das OZG in rund anderthalb Jahren. Bis dahin ist es nicht mehr weit. Im Oktober 2020 hat das Bundesministerium des Inneren ein „Dashboard“ veröffentlicht, mit einem OZG-Infoportal, bei dem man den aktuellen Stand einsehen kann. Demzufolge sind von den geplanten 575 Leistungen derzeit 315 bereits online, also mehr als die Hälfte. Nicht ersichtlich ist jedoch, ob diese Leistungen bereits für alle nutzbar sind. Voraussetzung für das „Abhaken“ scheint nämlich lediglich zu sein, dass sie in einer Kommune online verfügbar ist. Also ein Formular für eine Leistung (z. B. Parkausweis beantragen oder Hund anmelden). Die Zahlen scheinen jedoch nicht auf dem aktuellsten Stand, lässt sich vermuten. So werden seit November 2020 dieselben Zahlen angezeigt. Laut Bundesinnenministerium wird „das Dashboard monatlich aktualisiert und kontinuierlich um weitere Indikatoren ergänzt“ (nachzulesen unter www.online zugangsgesetz.de). Die Zahlen waren bis zum Redaktionsschluss im Mai jedoch unverändert. Hat sich also seit über einem halben Jahr nichts mehr getan?

Wenig Grund zum Jubeln sieht auch Dr. Marianne Wulff, frühere Bereichsleiterin bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) und Geschäftsführerin bei Vitako, der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. In Sachen Digitalisierung, also eine kompetente Kennerin der Materie. „Kreativität, Agilität und Innovation sind zwar vorhanden, doch der behäbige Gesetzgeber und fehlende Strategien bremsen sie aus.“ Der digitale Wandel muss an gleich mehreren Stellen angegangen werden. „Gewohntes und Vertrautes muss überdacht und vielleicht über Bord geworfen werden und hier und dort könnte ein Umlernen nötig sein. Aber erst wenn die Prozesse neu gebaut werden, kann das OZG Anstoß und Beschleuniger einer nachhaltigen Digitalisierung sein.“ Ihre Kritik belegt Wulff u. a. am Beispiel Corona und „dem Faxen von Informationen zwischen Gesundheitsämtern und Robert Koch-Institut. Von Digitalisierung keine Spur.“

bia