
57. Ausgabe, 2. Quartal 2015
„Vom Buchdruck bis Facebook“
Chancen und Grenzen der Medien
Die Stadt Osterwieck und die evangelische Kirchengemeinde veranstalteten, unterstützt durch viele Vereine und Initiativen, ein Reformationsfest auf dem Stephanikirchhof im Herzen der historischen Fachwerkstadt. Unter dem Motto „Vom Buchdruck bis Facebook“ wurde vom 15.-17. Mai ein interessantes Programm geboten. Abwechslungsreiche Veranstaltungspunkte und der „Markt unter den Linden“ zogen zahlreiche Besucher an, die in Erfahrung bringen konnten, wie sich die Informationsweitergabe seit Luther verändert hat und welche Herausforderungen damit heute einhergehen.
Einer der inhaltlichen Höhepunkte war die Podiumsdiskussion „Chancen und Grenzen der Medien“ in der Stephanikirche. Gesprächspartner waren Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Angelika Zädow, Superintendentin des Kirchenkreises Halberstadt, Renate Höppner, Pfarrerin an der Kreuzgemeinde Magdeburg, der CDU-Politiker Dr. Karl-Heinz Daehre und Dr. Detlef Rentsch, stellvertretender Hörfunkdirektor des MDR. Moderator der Talkrunde war Pfarrer Andreas Beuchel, Senderbeauftragter der evangelischen Landeskirchen beim MDR.

„Auf meinem Nachttisch liegen drei Bücher, davon ein E-Book“, antwortete Franz-Reinhard Habbel dem Moderator Andreas Beuchel, der die Gesprächsteilnehmer zunächst nach ihren Lesegewohnheiten befragt hatte. „Beim Lesen bevorzuge ich traditionelle Bücher, nutze aber das Internet für Recherchen und als Informationsquelle für überregionale Nachrichten“, erklärte Angelika Zädow. Renate Höppner räumte ein, dass die Bibel bei ihr zur Pflichtliteratur gehört. „Privat lese ich zurzeit Tagebücher von Max Frisch“, ergänzte sie. Hingegen berichtete Dr. Karl-Heinz Daehre, dass in seiner Heimbibliothek Chemie-Fachzeitschriften und Bücher über Preußen reichlich vertreten sind, Dr. Detlef Rentsch machte deutlich, dass er als Lutherbeauftragter des MDR auf umfangreiche Literatur über den berühmten Reformator nicht verzichten könne.

„Für die Verbreitung der Lehre Luthers war die Entwicklung des Buchdrucks eine Medienrevolution, die mit der Durchsetzung des Internets in der heutigen Zeit durchaus vergleichbar ist“, formulierte Andreas Beuchel. „Ohne Buchdruck keine Information“, bestätigte Franz-Reinhard Habbel diese These des Moderators und informierte, dass heute drei Milliarden Menschen und 82 Prozent der deutschen Bürger Zugang zum Internet haben. „Allerdings sind viele Internetnutzer in den Sozialen Medien unterwegs, um Aufmerksamkeit für ihre eigene Person zu erzielen“, lautete das Urteil des Medienexperten, der zu den führenden Köpfen der Einführung von E-Government in Deutschland zählt und ein eigenes Blog zur Verwaltungsmodernisierung führt.

Auch Dr. Karl-Heinz Daehre, Politiker im Ruhestand, würdigte die Rolle der Neuen Medien als modernes Hilfsmittel zur Unterstützung der Arbeit in den Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Während Renate Höppner zur Sprache brachte, dass die sozialen Medien echte zwischenmenschliche Beziehungen nicht ersetzen können, betonten Angelika Zädow und Dr. Detlef Rentsch den Vorteil, dass das Internet keine Einbahnstraße, son-dern ein Kommunikationsforum sei, bei dem alle Internetnutzer selbst aktiv werden können. Dies lasse aber auch zu, dass sich die Nutzer des Internets auf die übelste Art und Weise beschimpfen, meinte Dr. Karl-Heinz Daehre.

An dieser Stelle äußerte Renate Höppner ihre Angst, „dass fremde Menschen Dinge über mich erfahren, die ich gar nicht preisgeben möchte.“ Gleichzeitig äußerte sie sich erfreut darüber, dass sie selbst tagaktuell verfolgen kann, was ein guter Freund von ihr in Russland der Öffentlichkeit über seine Person und seine Arbeit im Internet offenbart.

Angelika Zädow forderte Maßnahmen gegen den Missbrauch der neuen Medien und für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet.
(Die Theologin übernahm somit die Verantwortung für reichlich 30.000 evangelische Christen in den knapp 100 Kirchgemeinden der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.)

Dr. Rentsch würdigte die vielfältigen multimedialen Möglichkeiten und Chancen, die sich mit der Entwicklung und Nutzung von Apps ergeben. Er bezeichnete das Zusammenspiel zwischen traditionellen und neuen Medien als ein Ping-Pong-Spiel, bei dem jeder Teil seine Berechtigung habe. Dabei bestehe aber die Gefahr, dass Kürzel wie „LG“ und „HDL“ die schöne deutsche Sprache, die wir auch Martin Luther zu verdanken haben, unschön reduzieren, meinte Renate Höppner.
Zusammenfassend brachten die Diskussionsteilnehmer zum Ausdruck, dass sie die Chancen der Medien zur Verbesserung unserer Gesellschaft als bedeutsamer betrachten als die damit verbundenen Risiken. Trotz der Risiken könne man vertrauensvoll und optimistisch in die Zukunft blicken, sagte Dr. Daehre. „Das Buch und das Internet können gut nebeneinander leben“, schätzte Dr. Rentsch ein. „Die Chancen sind größer als die Gefahren“, resümierte auch Renate Höppner. Franz-Reinhard Habbel bezeichnete die Einführung des Internet als dramatischen Umbruch wie damals die Entwicklung des Buchdrucks zu Luthers Zeiten. Dabei ginge es heute darum, das Internet zur Stärkung der Freiheit zu nutzen.
„Ich bleibe optimistisch, aber wir brauchen solche Debatten wie heute über das Thema, um die Gefahren effektiv bekämpfen zu können“, lobte der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes die Initiatoren der Veranstaltung in Osterwieck.
Autor: Freimut Hengst