
80. Ausgabe, 1. Quartal 2021
Wer viral geht, holt die Macht
Der Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt wird so digital wie nie
Superwahljahr in Sachsen-Anhalt: Der neue Landtag wird am 6. Juni, der nächste Bundestag am 26. September gewählt. Doch wie sieht in Pandemiezeiten Wahlkampf eigentlich aus? Wie gewohnt mit Großkundgebungen, großen Wahlforen und Flatterständen vor Supermärkten oder deutlich digitaler zwischen Insta-Meetings, „Clubhouse“-Debatten, Twitter-News und Facebook-Postings? Der Server befragte Parteien nach ihren Strategien im Corona-Zeitalter. Ergebnis: Wer online schläft, wird mit schlechten Prozentzahlen aufwachen.
Das wichtigste Ergebnis vorweg: Keine Partei geht 2021 von einem „normalen“ Landtagswahlkampf aus. Um Wähler zu mobilisieren, verstärken sie alle ihr Engagement im Netz. Der Magdeburger Stadtverband von „Die Linke“ ging bereits Mitte Januar in die Offensive: Agitation am „Wählertelefon“ statt Smalltalk auf der Straße. Stadtsprecherin Rosemarie Hein: „Weil ,Social distancing‘ das Gebot der Situation ist, haben wir telefonische Sprechzeiten eingerichtet, zu denen man unsere vier Magdeburger Direktkandidat*innen zur Landtagswahl erreichen kann.“ (Di. und Sa. von 9-12 Uhr, Fr. von 14-17 Uhr unter 0157-37971597).
Alexander Sorge, Landessprecher der Linken, weiß um die Schwierigkeiten des bevorstehenden Wahlkampfes: „Wir gehen davon aus, dass ein Straßenwahlkampf mit Infoständen, Haustürgesprächen und öffentlichen Veranstaltungen kaum durchführbar ist.“
Bei SPD-Landessprecher Martin Krems-Möbbeck gilt (noch) das Prinzip Hoffnung: „Nur bei einer deutlichen Verbesserung der Pandemielage ist ggf. im Mai ein kurzer Straßen- und Veranstaltungswahlkampf möglich.“
Und Ruben Engel, Pressereferent von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt, sagt: „Wir können nur hoffen, dass direkter Wählerkontakt mit Masken und Abständen pandemiebedingt wenigstens komprimiert vor dem Wahltermin möglich ist.“
CDU-Generalsekretär Sven Schulze sieht es nicht anders: „Wir hoffen zwar auf den Marktplatz, bereiten uns aber auf den virtuellen Raum vor. Dieser Wahlkampf wird anders als alle anderen.“
Kaum Nahkampf im Wahlkampf
Und das nicht nur politisch, sondern vor allem organisatorisch. An Großkundgebungen mit Berliner Politprominenz und zehntausenden Besuchern halten (noch) die SPD, CDU und FDP fest. SPD-Sprecher Krems-Möbbeck: „Grundsätzlich sind sie unter freiem Himmel vorstellbar. Was tatsächlich geht, hängt von Witterung und Pandemieentwicklung ab.“
CDU-General Sven Schulze: „Aktuell sind zehntausende Menschen, die Angela Merkel auf dem Marktplatz hören wollen, kaum vorstellbar. Sollte das trotzdem zu machen sein, dann werden wir es auch machen.“
Keinen Zweifel am Straßenwahlkampf wie gewohnt hat FDP-Hauptgeschäftsführer Schnurpel: „Natürlich sind größere Kundgebungen im Freien denkbar. Die Bundesprominenz wird uns dabei intensiv unterstützen.“
Linke und Grüne haben sich davon längst verabschiedet. Linken-Sprecher Andreas Sorge: „Auch wenn Kundgebungen pandemisch möglich wären – für uns sind sie ein politisch falsches Signal. Wenn auf der einen Seite Appelle an die Einwohner:innen gerichtet werden, die Kontakte zu beschränken, kann die Politik nicht zu Versammlungen aufrufen.“
Und die Grünen? Für sie waren „Massenkundgebungen noch eher selten ein Thema.“
Im Netz nicht gewinnen, aber verlieren
Für die Grünen ist „normaler Straßenwahlkampf“ nur ein sehr kleiner Baustein erfolgreicher Wahlkampagnen. Einen „möglichst direkten Kontakt mit den Bürger*innen“ wollen sie via „Videokonferenzen und -gesprächen auf allen Plattform-Kanälen erzielen.“
Ruben Engel: „Wir erweitern massiv unsere Online-Angebote und bedienen eine große Bandbreite von Formaten, Plattformen und Zielgruppen.“ Und das mit „schnellen, kurzen Texten bei Twitter, kurzen, mittleren und langen Videoformaten auf Instagram und TikTok“ sowie mit reichlich bezahlter Online-Werbung.
Auch die FDP will alle Register im Netz ziehen. Dafür hat sich die Partei die Dienste der Berliner Firma „Heimat“ als Lead-Agentur gesichert. Sie soll die Kampagnen von Facebook bis Instagram planen. Die FDP verspricht dem politisch interessierten Publikum „einen Mix aus digitalen Town-Hall-Veranstaltungen, Wahlkreisbesuchen im Live-Stream und Videos der Kandidatinnen und Kandidaten.“
Die Landes-CDU sieht sich als „letzte verbliebene Volkspartei“ (Sven Schulze) in der Pflicht, „alle Wählerschichten zu erreichen.“ Von Jung bis Alt, Normalo bis elitär, von Single bis Großfamilie, von Land bis Metropole – wer 34 % + X holen will, müsse klotzen. „Eine hohe sechsstellige“ Summe plant Sven Schulze dafür ein. Die eigenen Botschaften will man sowohl mit altbekannten Groß- und Laternenplakaten, mit Flyern, Zeitungsanzeigen und Radiowerbung bis hin zur Online-Präsenz wie noch nie transportieren. Sven Schulze sagt: „Man gewinnt keine Wahl in den sozialen Medien, aber man kann sie dort verlieren.“
Auch die SPD sieht einerseits die wachsende Bedeutung des Internets für den Wahlausgang, vertraut aber alten Erfahrungen.
Martin Krems-Möbbeck: „Der Wahlausgang hängt immer von vielen Faktoren ab und kann mit einer Stellschraube allein nicht beeinflusst werden. Unser Interesse ist es, auf allen medialen Kanälen und im Straßenbild präsent zu sein.“ 700.000 Euro (2016 waren es noch 1,2 Millionen) lässt sich die SPD das kosten. Damit das Geld dort investiert wird, wo es (hoffentlich) die meiste Wirkung entfaltet, soll die „Elephantlogic Strategieberatung“ sorgen, die, so Krems-Möbbeck, „mit allen Feldern der Wahlwerbung betraut ist.“ Die politische Auseinandersetzung habe sich unabhängig von Wahlkampfzeiten längst in den sozialen Medien ausgebreitet, meint der SPD-Landessprecher und fügt hinzu: „Ohne dass dabei andere Debattenräume an Bedeutung verloren hätten. Ein Effekt, der sich durch die Pandemie sicher weiter verstärken wird.“
Die Linke glaubt ohnehin nicht, dass Wahlen in Wahlkämpfen gewonnen werden. Alexander Sorge: „Die Zeit dazwischen ist viel entscheidender. Das Programm der Partei, die Persönlichkeit und das persönliche Engagement der Abgeordneten und Funktionsträger entscheiden über die Prozente.“ Dennoch will man vor Wahlen genau das ins Schaufenster legen.
Alexander Sorge: „Social Media und, in etwa gleichrangig, klassische Plakat- und Flyerwerbung, Präsenz vor Ort in Wahlkampfterminen und an Wahlständen sind für uns ein guter Mix.“ Das Budget für den gesamten Wahlkampf geben die Linken mit ca. 500.00 Euro an.
Anmerkung der Redaktion: Die AfD Sachsen-Anhalt ließ mehrfache Anfragen der Redaktion unbeantwortet.
juj
Die Linke. Sachsen-Anhalt
Wahlkampfbudget: 500.000 Euro
Wahlkampfagentur: Ja (Name wird nicht genannt)
Originelles: Kommunalbus als Wahlkampffahrzeug
Kontakte: https://www.dielinke-sachsen-anhalt.de
https://www.facebook.com/DieLinkeSachsenAnhalt
https://twitter.com/dielinkelsa
https://www.instagram.com/dielinke.sachsenanhalt/
SPD Sachsen-Anhalt
Wahlkampfbudget: 700.000 Euro
Wahlkampfagentur: Agentur „Elephantlogic Strategieberatung“
Originelles: Wahlkampf-Giveaways ordern die Kandidat*innen vor Ort.
Kontakte: http://spdlsa.de/, Facebook: @spd.sachsenanhalt
Instagram: spd_sachsenanhalt, Twitter: @SPD_LSA
CDU Sachsen-Anhalt
Wahlkampfbudget: hoher sechsstelliger Betrag
Wahlkampfagentur: Agentur PXM Jena
Originelles: „Wir werden uns präsentieren, wie man es der CDU nicht zutraut.“
Kontakte: www.cdulsa.de, www.facebook.com/cdulsa
www.twitter.com/cdulsa, www.instagram.com/cdu_lsa
www.youtube.com/c/CDUSachsenAnhalt2019
Grüne Sachsen-Anhalt
Wahlkampfbudget: 400.000 Euro (+ 25 % zu 2016)
Wahlkampfagentur: ja (Namen werden nicht genannt)
Originelles: „Unsere Giveaways haben Nutzwert.“
Kontakte: E-Mail-Newsletter über info@gruene-lsa.de
www.gruene-lsa.de
www.facebook.com/gruenelsa
www.twitter.com/gruene_lsa
www.instagram.com/gruene_lsa
www.youtube.com/channel/UCN6jGPejmrTcV1qr2xfSwDA
Geplant: Telegram und TikTok
FDP Sachsen-Anhalt
Wahlkampfbudget: wie 2016 (k. A.)
Wahlkampfagentur: Agentur „Heimat“ Berlin
Originelles: Originelles Wahlkampffahrzeug
Kontakte: www.fdp-lsa.de
facebook.com/fdpsachsenanhalt/
https://twitter.com/fdp_lsa
https://fdp-lsa.de/kontakt/
AfD Sachsen-Anhalt
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