4. Ausgabe 2022 | Nr. 87

Neue Software ermöglicht individuelles Arbeiten nach Baukasten-System

Umfangreich nutzbar, zeitsparend und mit mehr Sicherheit

Für die Landeshauptstadt Magdeburg wurde die Softwarelösung OK.JUS eingeführt, eine Fachsoftware für die Optimierung der Arbeit im Jugendamt. Ein umfangreiches Projekt, dessen Umsetzung die Arbeit wesentlich erleichtert und Vorteile sowohl für die Mitarbeitenden bringt als auch für die Menschen, für die das Amt tätig ist.

 

Ulrike Smolarek und Marc Scherret sorgten als Teamleiter von Jugendamt und KID für die Umsetzung der neuen Software in der Praxis.

Seit 2004 arbeitete das Jugendamt bereits mit einer Fachsoftware für die Hilfen zur Erziehung. Dazu gehören unter anderem Hilfeformen wie die ambulante Betreuung, stationäre Leistungen, Prüfung und Gewährung von Unterhaltsvorschuss usw., verbunden also mit umfangreichen Adress-, Fall- und Finanzdaten, Informationen zu den Leistungen und familiären Hintergründen. Alle Daten wurden bisher im Programm OK.JUG erfasst. Wie bei Software üblich, muss diese mit den Jahren erneuert werden. Und so wurden 2018 die Möglichkeiten sondiert, welche neue Software sich am besten eignet, und ein Anforderungskatalog erstellt. Als glückliche Fügung zeigte sich, dass vom bisherigen Anbieter, der AKDB, ein Nachfolgeprodukt angeboten wurde: OK.JUS. Die Migration darauf bot den großen Vorteil, die bisherigen Daten nahezu 1:1 übernehmen zu können. Denn die Arbeit im Jugendamt ist äußerst umfangreich. Mehr als 6000 Fälle jährlich werden allein im ASD (Allgemeiner Sozialer Dienst) und im Fachdienst Eingliederungshilfe durch die Fachkräfte betreut. Hinzu kommen über 3.000 im Bereich Unterhaltsvorschuss sowie ca. 2300 in der Jugendgerichtshilfe. Alle Informationen zu den Klientenfamilien sind hinterlegt, Fallgeschichten, Hilfeleistungen, Inobhutnahmen, Gefährdungsmeldungen, Entwicklungen der Kinder und vieles mehr. Von täglichen und monatlichen Zahlungen bis zu den umfangreichen Verwaltungsaufgaben und statistischen Meldungen laufen enorme Datenmengen auf, die im System gespeichert werden und abrufbar sein müssen. Sie alle neu zu erfassen wäre ein enormer Aufwand. Dieser reduziert sich wesentlich durch Datenmigration.

Im September 2018 präsentierte die kommIT, ein digitaler Verwaltungsdienstleister und Partner der AKDB, das neue Programm. Nach der positiven Entscheidung im Dezember konnte es mit der Vorbereitung losgehen. Dafür wurden sowohl vom Jugendamt als auch von der KID, dem technischen Dienstleister der Landeshauptstadt Magdeburg, Projektleiter eingesetzt, um feste Ansprechpartner auf beiden Seiten zu haben: Ulrike Smolarek und Marc Scherret, die seitdem eng zusammenarbeiteten. Sie bildeten jeweils Teams für die Umsetzung in ihren Bereichen.

Als Arbeitsgrundlage wurden im Jugendamt im Vorfeld alle Prozesse beleuchtet, analysiert und dokumentiert, um konkret festzustellen, was die Software leisten muss. Die Prozesse sollten so vereinheitlicht werden, dass alle mit derselben Software arbeiten können, aber dennoch jeder spezifisch genau auf seinen Bereich abgestimmt tätig sein kann. OK.JUS, eine Art Baukastensystem, bietet dafür beste Möglichkeiten, da es vielseitig und individuell nutzbar ist. Magdeburg nimmt hierbei aufgrund der Größe des Jugendamtes eine Vorreiterrolle ein. Hier sind für bestimmte Bereiche Spezialteams eingerichtet: Neben der Krisenintervention, der Jugendgerichtshilfe, der familiären Beratung, Amtsvormund- oder der Beistandschaft, dem Unterhaltsvorschuss sowie eine Rufbereitschaft außerhalb der Bürozeiten müssen hier noch weitere Teams unter einen digitalen „Hut“ kommen. Also eine Grundlinie, mit der alle arbeiten können und gleichzeitig so viel Individualität wie möglich erhalten.

Ein Mammutprojekt. Ulrike Smolarek verrät, dass von Dezember 2019 bis April 2022 allein im Jugendamt 28.400 Arbeitsstunden dafür gebucht worden sind. 730 Textvorlagen wurden eingebunden, inklusive inhaltlicher Überarbeitung. Integriert wurden u. a. 3.220 Institutionen, Adressen und weitere Informationen. Die geographisch notwendigen Stammdaten der Landeshauptstadt Magdeburg wurden bereitgestellt und konnten umfänglich importiert werden. Insgesamt 35 verschiede Arbeitsprozesse sind nun enthalten, drei Verwaltungsprozesse einprogrammiert, 252 Formularmasken gebaut, die flexibel zu bearbeiten sind und dennoch in ihrem Ursprung erhalten bleiben.

In der Vorbereitung wurden Entwürfe erstellt, Prozesse designed und durchgetestet. In enger Zusammenarbeit mit der KID wurde in vier Testgruppen alles ausprobiert: Aufbau der Prozesse, Textvorlagen und Dokumente, Berichte und Statistiken. Das lief nicht problemlos ab. Denn Magdeburg nimmt eine Vorreiterrolle für diese neue Software ein. 250 Tickets für Softwareanforderungen und Optimierungen wurden allein an den Projektpartner kommIT geschickt. Dort hieß es schließlich: Magdeburg findet alle Fehler! Marc Scherret: „Magdeburg hat entscheidend zur Weiterentwicklung der Lösung beigetragen, den Nutzen daraus können nun auch andere Ämter ziehen und die Lösung optimal einsetzen.“

Alle Teams können nun dieselbe Software nutzen, sofort alles für ihre Aufgaben Notwendige im Blick haben. Im Büro ebenso wie auf dem Tablet vor Ort, z. B. im Gericht. Ulrike Smolarek bilanziert erfreut: „Wir müssen nicht mehr die Arbeit der Software anpassen, sondern die Software kann auch unseren Arbeitsabläufen angepasst werden.“ Das ist ein enormer Vorteil. Zuvor war ein fester Rahmen für Informationseingaben strukturiert, jetzt können sich die Mitarbeitenden den für sie wichtigen „Baustein“ auswählen und damit arbeiten. „Wir können gestalten und formulieren. OK.JUS bietet wesentlich flexiblere Möglichkeiten.“ 16.058 Vorgänge im Fachverfahren waren bereits mit Stand April in OK.JUS eingepflegt. Digitale Akten. Die Daten befinden sich nicht auf dem persönlichen Rechner, sondern in einem ISO 27001 zertifizierten Rechenzentrum, das entsprechend stark gesichert ist. Ulrike Smolarek: „Wir sind sehr froh, dass uns die KID so fachlich kompetent bei der Umsetzung zur Seite stand.“ Ob bei den Schulungen oder bei der gleichzeitigen Pflege beider Programme während der Umstrukturierung. Neben dem Aufbau der notwendigen technischen Infrastruktur wurden die benötigten Schnittstellen umgesetzt für die digitale Akte, Abfragen an das Einwohnermeldeverfahren, verschiedene Zahlungsschnittstellen zum städtischen Finanzverfahren NSYS und dem CAP, der Controlling- und Analyseplattform mit integriertem BI-Controlling Cockpit auf Jedox Basis zur optimalen Berichtserstellung.

Das erste Team des Jugendamtes konnte bereits im Oktober 2020 mit der neuen Software arbeiten, weitere folgten bis April 2022. Jetzt wird OK.JUS von mehr als 136 Mitarbeitenden in 14 Teams genutzt. Rückblickend sagt Ulrike Smolarek: „Es war sehr anstrengend, sehr aufwändig. Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Die Software bietet großes Potenzial, sie ist vielseitig nutzbar, individuell, einzelne Fälle sind ebenso sofort einsehbar wie Statistiken.“

Das Projekt soll künftig auch noch erweitert werden. Am UVO (Unterhaltsvorschuss-Online) wird bereits gearbeitet, einer digitalen Lösung für Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetzes im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetz in der Landeshauptstadt Magdeburg. Künftig können dann Anträge auf Unterhaltsvorschuss digital eingereicht werden, was den Gang zum Amt erspart.

BiA