
3. Ausgabe 2022 | Nr. 90
Digital und kontaktfrei Bücher ausleihen
Neuer Service in der Magdeburger Zentralbibliothek
Die Magdeburger Bibliothek wurde 1525 gegründet und ist die älteste Kultureinrichtung in kommunaler Trägerschaft der Landeshauptstadt. Seit kurzem bietet sie einen neuen Service: Die Lesefreunde können kontaktfrei sowohl Bücher als auch andere Medien ausleihen und zurückgeben.

Bereits im Eingangsbereich ist die Veränderung sichtbar: Die Besuchertheke ist neu und kleiner, daneben stehen zwei Automaten, an denen die Nutzer ihre Bücher selbst für die Ausleihe freigeben und auch die Rückgabe vornehmen können. In anderen Ländern, aber auch einigen deutschen Städten ist das schon Standard. „Wir sind nicht die Vorreiter“, merkt Bibliotheksleiterin Dr. Cornelia Poenicke an,
„aber wir freuen uns, diesen Service nun auch hier anbieten zu können.“
Nicht erst seit Corona ist der kontaktlose Umgang ein wichtiges Thema. Das Vorhaben wurde erstmals bereits 2014 beantragt, erklärt sie. Aber die Stadt hatte zunächst wichtigere Prioritäten und Geld lässt sich bekanntlich nur einmal ausgeben. Im vorigen Jahr gab es Fördergeld für Digitalisierung und das Projekt konnte starten.
Die Digitalisierung bietet Erleichterung sowohl für die Besucher der Bibliothek, die sich nicht mehr an der Theke anstellen müssen, als auch für die Einrichtung selbst. „Es ist eine große Arbeitserleichterung“, sagt Katrin Helm, Leiterin Benutzungsservice. Die eingesparte Zeit bietet den Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich anderen Dingen zu widmen. Denn die Arbeit in der Bibliothek ist weitaus mehr als Bücher ausgeben, annehmen und wieder einräumen. Dr. Cornelia Poenicke betont:
„Die Bibliothek leistet einen wesentlichen Beitrag zum vielgestaltigen Bildungs- und Kulturangebot der Stadt.“
Diese Aufgabe wird immer umfangreicher, erklärt sie. Auf weit über 1.000 ist die Zahl der Veranstaltungen pro Jahr angestiegen, neben Lesungen oder Ausstellungen spielt die Leseförderung eine große Rolle, gibt es Angebote für Kinder ab dem Kindergartenalter und für Schulklassen, unterrichtsbegleitend. Seit drei Jahren zudem Medienprojekte zum Umgang mit digitalen Technologien, Apps, Sicherheit im Internet. Schon Vorschulkinder können hier lernen, Roboter zu programmieren.

Für die automatische Ausleihe und Rückgabe gibt es verschiedene technische Angebote. Zunächst musste also sondiert werden, welches für die Magdeburger Bibliothek das passende ist – und bezahlbar. Schließlich wurde sich für ein Kombigerät entschieden, dessen Einrichtung gemeinsam mit der KID vorgenommen wurde. Anfang des Jahres begann die Umrüstung auf die neue Technik, der Probelauf startete im Juni. Seit August gehört sie zum Standard. Vorab mussten alle Bücher und anderen Medien dafür vorbereitet werden. Über acht Wochen sind die Mitarbeitenden der Bibliothek in Teams Etage für Etage durchgegangen und haben alle Leih-Medien mit „Etiketten“ versorgt. Diese enthalten RFID-Chips, auf denen eine Barcodenummer und Sicherung gespeichert sind. Über die Selbstverbucher wird die Nummer mit der Datenbank auf den KID-Servern abgeglichen und die Ausleihe bzw. Rückgabe auf den Kunden gebucht und die Sicherung des Mediums aktiviert bzw. deaktiviert. Jedes einzelne Medium wurde dann entsprechend im System erfasst. Am Terminal werden jeweils Bibliotheksausweis und RFID-Chip ausgelesen und somit sind auf einen Blick alle Informationen sowohl zu den ausgeliehenen Medien als auch zu den Ausleihenden zusammengefasst. Die Nutzer erhalten jeweils eine Quittung über den Vorgang und bei der Rückgabe müssen lediglich die Bücher oder Tonträger ins nebenstehende Regal gelegt werden. Von dort aus werden sie später von den Mitarbeitern an den richtigen Platz in der Bibliothek einsortiert. Manchmal steht allerdings auf der Quittung auch die Aufforderung, sich an der Rezeption zu melden. Das liegt nicht an einem technischen Problem, sondern jemand ließ sich als nächster Ausleiher vormerken. Dann wird personell dafür gesorgt, dass das Buch oder andere Medien zur Seite gelegt werden für die Person, die sich dafür bereits angemeldet hat. „Es ist im wahrsten Sinne kinderleicht“, sagt Dr. Cornelia Poenicke und erzählt von einem Knirps, der anderen Besuchern den Umgang mit dem Automaten erklärt hat. Mittlerweile erfreuen sich auch Besucher älterer Semester an dieser Art der unkomplizierten Ausleihe. Man muss sich den Beleg nicht ausdrucken, sondern kann ihn auch per E-Mail nach Hause schicken lassen, erklärt Katrin Helm, „das wird von vielen genutzt.“ Dann sparen sie nicht nur Papier, sondern haben gleichzeitig zu Hause digital ihren Leih-Nachweis gespeichert. „Faszinierend“, fasst Katrin Helm die Arbeit mit der neuen Technik zusammen. Falls übrigens jemand das Verbuchen „vergisst“, erklingt beim Verlassen der Bibliothek ein Warnton. Am Ausgang ist – fast unsichtbar – eine Funkwellensicherungsanlage mit Sensoren angebracht, wie man sie aus Kaufhäusern kennt.
Die größte Herausforderung, so verraten die Bibliotheksmitarbeiter, war die richtige Anbringung der RFID-Etiketten in den rund 150.000 Büchern und Medien. Jedes einzelne Teil musste in die Hand genommen und eine passende Stelle dafür gefunden werden. Grund dafür sind beispielsweise Schmuckeinbände bei Büchern, Zeichnungen oder Inhaltsbeschreibungen. Ähnliches gilt für Zeitschriften, DVDs, CDs, Spiele, Tonies – kurzum: alles, was entleihbar ist. Gleichzeitig müssen die Etiketten so platziert sein, dass der Automat sie unkompliziert einlesen kann. Dies ist auch stapelweise möglich.
Wie es mit allem Neuen ist, gab es auch Anlaufschwierigkeiten. „Wir arbeiten nach dem Motto try and error“, sagt Bibliothek-ITler Sebastian Schmidt. „Manches ergibt sich erst in der Praxis. So konnte anfangs eine Datenverbindung nicht hergestellt werden. Vermutet wurde eine defekte Platine. Alle Leitungen wurden überprüft und schließlich eine lockere Schraube im Terminal entdeckt und befestigt. Danach funktionierte es.“ In Sachen Technik arbeiten Bibliothek und KID von Beginn an zusammen. „Wenn wir nicht weiterkommen, rufen wir bei der KID an.“ Dort ist Jens Pelikan für die Umsetzung zuständig. Gemeinsam wurde auch ein anderes Problem aufgeklärt: So zeigte der Automat anstelle der Sondergebühr von 2 Euro für Bestseller 200 Euro an – und wenn mehr als 5 Euro Gebühr offen sind, wird das Nutzerkonto gesperrt. Zu einer Sperrung allerdings kam es nicht, betont Sebastian Schmidt. Der Irrtum konnte aufgeklärt werden: Der Automat war auf englische Funktion eingestellt, ignorierte die Eingabe des Kommas und wartete stattdessen auf einen Punkt. Das musste umprogrammiert werden.
Die Bibliothek Magdeburg ist einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft gegangen. Weitere Wünsche und Ideen gibt es. Vorstellbar ist eine Bibliotheksnutzung rund um die Uhr. Doch das benötigt Zugangs-, Überwachungs- und Sicherungssysteme, Rückgabeautomaten mit Sortierung … Es ist letztlich eine Frage des Geldes, sagt Dr. Cornelia Poenicke. „Aber vielleicht gibt es wieder Fördermittel, dann geht es weiter.“
Birgit Ahlert