70. Ausgabe, 3. Quartal 2018

Der Mann, der mit der Brille kam

„Time for kids“-Gründer fordert für die digitale Gesellschaft die digitale Schule

Wer den Vortrag von Johannes Karl auf dem KITU-Tag im September besuchte, fiel auf einen kleinen Schwindel rein. Denn jeder bekam eine 3D-Brille in die Hand gedrückt. Damit war die Erwartung geschürt, jetzt gleich „TIME for kids Technologien“ in eindrucksvollen 3D-Animationen zu sehen. Doch die Brille hatte eine ganz andere Aufgabe ...

Für Johannes Karl steht fest, dass sich die Art, wie unsere Kinder in der Schule für das Leben lernen, grundlegend wandeln wird: „Apps werden das Lernen in den nächsten Jahren massiv verändern. Unsere immer digitaler werdende Gesellschaft braucht eine digitale Schule, wenn sie ihre Kinder auf das Arbeitsleben vorbereiten will.“ Bei den meisten Bildungsexperten, Bürgermeistern oder Bildungspolitikern ist das auch keine Frage, doch vielerorts wird eher halbherzig an der Umsetzung gearbeitet. Johannes Karl, Gründer und Gesellschafter von „TIME for kids“ und der neolern GmbH, bemüht sich um den Spagat, die Notwendigkeit auf der einen Seite zu artikulieren, auf der anderen Seite aber auch die Finanzierbarkeit anzumahnen. Denn Konzepte, wie sie derzeit in durchaus vorbildlicher Weise in Sachsen-Anhalt erarbeitet und geschrieben werden, müssen auch umsetzbar sein. Derzeit ist ein Entwurf eines Landeskonzeptes im Umlauf, das Hoffnung macht: „Bildung in der digitalen Welt durch den Einsatz digitaler Medien und Werkzeuge an den Schulen des Landes Sachsen-Anhalt“. Menschen wie Johannes Karl bringen all ihr Wissen aus 20 Jahren Tätigkeit im Bildungsmarkt ein und appellieren zugleich an Schulen und Bildungsträger, ihre eigene Medienentwicklungsplanung voranzutreiben: „Sie brauchen ein pädagogisches Konzept, ein Fortbildungskonzept, ein Technisches Konzept, ein Betriebs- und Servicekonzept und am Ende natürlich ein Finanzierungskonzept. Ich lade Sie herzlich ein, in der bestehenden Projektwerkstatt ‚Der digitalen Zukunft auf der Spur‘ als Teil der Medienentwicklungsplanung mitzumachen. Sie ist offen auch für Ihre Kommune.“

Dann kam Karls Auftritt mit den Brillen. Er bat seine Zuhörer, die 3D-Brille aufzusetzen, ehe er den nächsten Chart an die Wand warf. Doch anders als erwartet war das keine 3D-Animation, sondern eine Finanztabelle. Darin abzulesen war der Bestand von ca. 800 Schulen in Sachsen-Anhalt und das Gesamtbudget der Fördermittel bis Ende 2020 in Höhe von 13,3 Millionen Euro. Für 800 Schulen aber hat Karl bei einer Investitionssumme von 150.000 Euro je Schule über fünf Jahre einen Gesamtfinanzbedarf von 120 Millionen Euro errechnet. Karl: „Damit ist klar, dass uns die Fördermittel nicht viel bringen, sie sind nicht mehr als eine kleine Anschubfinanzierung von ca. 10 % der Gesamtkosten. Nur, wer die Schulträger, die Finanzausschüsse, die Kommunalabgeordneten und letztlich die Kämmerer von der Notwendigkeit der digitalen Bildung überzeugt, wird sich für die Zukunft rüsten können. Jetzt können Sie Ihre rosarote Brille wieder abnehmen.“

Johannes Karl, Gründer und Gesellschafter  der TIME for kids und Neolearn GmbH
Johannes Karl, Gründer und Gesellschafter der TIME for kids und Neolearn GmbHJohannes Karl, Gründer und Gesellschafter der TIME for kids und Neolearn GmbH

Man brauche verlässliche Haushaltsmittel als Dauerfinanzierung. Karl: „Ich weiß, dass die Überzeugungsarbeit vor Ort nicht einfach ist, denn die digitale Schule steht ja im Wettbewerb mit dem viel prestigeträchtigeren Straßen- oder Sportstättenbau, mit Hochbauprojekten oder Freibädern.“

Die guten Landeskonzepte, die beispielgebenden Angebote der KITU und die Kompetenz von Leuten, die etwas von digitaler Bildung und wirklich notwendiger Technik verstehen, müssen zunächst vor Ort überzeugen:

 „Erst derjenige, der seine Ratsausschüsse mit klugen Konzepten überzeugt hat, kann auch mit vollem Optimismus zum Gemeinde-, Stadt- oder Kreisrat gehen, und um die Restfinanzierung von ca. 90 % bitten. Aber wer sich erst gar nicht auf den Weg macht, der wird auch nie ankommen.“

Autor: juj