
3. Ausgabe 2023 | Nr. 90
Neustart nach Cyberkatastrophe
100. KITU-Mitglied vorgestellt: Landkreis Anhalt-Bitterfeld
Mit einer „goldenen Maus“ empfangen wurde der Landkreis Anhalt-Bitterfeld, damals im September 2022, als 100. Mitglied in der KITU-Genossenschaft. Für Aufsehen gesorgt hatte die Region jedoch zunächst aus einem ganz anderen Grund: Die erste digitale Erpressung einer Verwaltung – und der erste Ausruf eines Cyberkatas-
trophenfalls in Deutschland.“ Andy Grabner war 2021 gerade zum Landrat gewählt worden. Bereits vor Amtsantritt erreichte ihn die Nachricht, es gäbe „technische Probleme“. Was zunächst nach einer baldigen Klärung aussah, entpuppte sich als Cyberkatastrophe. Das gesamte Computersystem des Landkreises war lahmgelegt, alles Technische außer Funktion. Der Katastrophenfall wurde ausgerufen.

Als Andy Grabner sich für das Amt des Landrats beworben hatte, stand die Digitalisierung des Landkreises ganz oben auf seiner Agenda. Doch statt Modernisierung der Technik musste nun auf Stift und Papier zurückgegriffen werden. „Alles war auf null gestellt.“ Anstelle von Amtsaufgaben wirkte er im Katastrophenstab und musste zudem Interviews zur Problematik geben. Medien aus ganz Deutschland waren angereist – Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehsender. Für das eigentliche Tagesgeschäft blieb keine Zeit. „Jeden Tag mussten wir improvisieren.“
Rund anderthalb Jahre brauchte es, bis alles wieder lief, berichtet Andy Grabner. Alles musste erneuert, ein neues Netzwerk aufgebaut, rund 160 Fachanwendungen installiert und eingebunden werden, ebenso alle rund 1.000 Geräte. Dabei ging es nach Prioritätenliste – allen voran die Bürgerdienste und Sozialleistungen. Rund 2,5 Millionen Euro kostete die Neuausstattung. Hilfe gab es sowohl finanziell als auch personell vom Land Sachsen-Anhalt, von der Bundeswehr und dem BSI, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Für eine sichere digitale Zukunft hat sich der Landkreis zudem der KITU angeschlossen. „Uns war es wichtig, dauerhaft einen starken Partner an der Seite zu haben, an dessen Wissen und Beziehungen wir partizipieren können“, betont der Landrat. Auch wenn die Katastrophe noch nachwirkt, konnte mittlerweile zum Tagesgeschäft übergegangen werden. „Unsere Region ist lebens- und liebenswert“, sagt Andy Grabner. Die Region im Herzen Deutschlands hat vieles zu bieten, schwärmt er. Köthen, wo die Landkreisverwaltung ihren Sitz hat, ist bekannt als Bach-Stadt, Bitterfeld-Wolfen als Chemiezentrum. Das Gebiet ist infrastrukturell gut angebunden, bietet Industrie, Kultur, Sport und Naherholung mit sehr viel Grün und Wasser. Zu den Vorteilen gehören die „vielen guten, qualifizierten Arbeitsplätze in Industrie und Landwirtschaft“, betont er. Technisch ist Anhalt-Bitterfeld auf einem guten Weg, vieles ist über die Internetseite der Verwaltung bereits online machbar. Auch wenn der Landrat sagt: „Ich wäre gern schon weiter, doch die Cyberattacke hat uns weit nach hinten geworfen.“

Zu den nächsten Vorhaben gehört die Digitalisierung der Schulen im Landkreis und eine Bildungslandschaft, bei der von der Kita bis zum Gymnasium alle vernetzt sind, um ein besseres Lernen im Miteinander von früh an zu ermöglichen. Außerdem steht der Breitbandausbau für ein flexibles, modernes Arbeiten in der Region an. Mit Fördergeld für den Strukturwandel werden zudem größere Projekte von der zukunftsweisenden Kita bis zu Mehrgenerationenhäusern umgesetzt. Landrat Grabner ist sich mit Blick in die Zukunft sicher: „Hier lässt es sich gut leben.“
Birgit Ahlert