73. Ausgabe, 2. Quartal 2019

VOIS: Haldensleben geht zuerst an den Start

Harakiri oder kalkuliertes Risiko: fünf Monate vor den Mammutwahlen die Pferde gewechselt

108 der 122 Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden in Sachsen-Anhalt arbeiten derzeit mit dem Meldewesen-Fachverfahren MESO. Doch das Mitte der 1990er Jahre konzipierte MESO stößt angesichts der rasanten IT-Entwicklung an seine Grenzen. Kommunen, die ihren Bürgern die neue Generation von Online-Diensten in vollem Umfang anbieten möchten, müssen sich von MESO verabschieden. Das Onlinezugangsgesetz (bis 2022 sollen alle Verwaltungsleistungen in Deutschland über Verwaltungsportale auch digital angeboten werden) lässt ohnehin keine andere Wahl. Mit VOIS bietet der MESO-Entwickler HSH ein Nachfolgeprodukt an, das alle Probleme lösen soll. Die Stadt Haldensleben hat es nun eingeführt – als erstes Mitglied der KITU, die das Verfahren im Rechenzentrum der KID Magdeburg betreibt. Der Server sprach mit der Haldenslebener IT-Verantwortlichen Sabine Scharf und Simone Groß (Sachgebietsleiterin des Haldensleber Bürgerbüros).

Wie ist Haldensleben auf VOIS gekommen?

Simone Groß: Wir wussten, dass wir mittelfristig eine MESO-Alternative brauchen. 2017 habe ich eine Info-Veranstaltung der KITU besucht, auf der VOIS vorgestellt wurde. Ich war vom Programm gleich sehr angetan.

Warum?

Simone Groß: Es ist modern, flexibel, ausbaufähig und vor allem schneller, bequemer und stabiler in der täglichen Anwendung.

Sabine Scharf: Uns hat überzeugt, dass wir perspektivisch viele eingesetzten Fachverfahren mit VOIS betreiben könnten. Dem Bürger ist letztlich egal, welcher Fachbereich, welches Fachamt oder Sachgebiet für sein Problem oder Anliegen zuständig ist. Für ihn zählt: Ein Ansprechpartner für alles und möglichst vieles online erledigen. VOIS bietet dafür die notwendige Interoperabilität, Kommunikation und Kompatibilität der Fachverfahren untereinander. Das heißt nicht, dass wir jetzt vom Einwohnermeldewesen über das Gewerbe- und Erlaubniswesen bis hin zum Fundbüro alles umstellen, aber wir haben die Option. Dass wir mit VOIS das Onlinezugangsgesetz komplett umsetzen können, war allerdings Grundvoraussetzung.

Hatte die Entscheidung auch mit Geld zu tun?

Sabine Scharf: Haushaltsmittel sind immer wichtig. Klar haben die Lizenzen erst einmal Geld gekostet, aber nach unseren Berechnungen wirkt sich VOIS bereits nach fünf Jahren positiv auf den Haushalt aus.

Inwiefern?

Sabine Scharf: Schon nach 18 Monaten ist es preiswerter als MESO.

Die Stadt Haldensleben hat VOIS für das Meldewesen eingeführt. Und das nur wenige Monate vor der Europa- und Kommunalwahl. Ziemlich mutig, oder?

Simone Groß: Es ist immer schwierig, den richtigen Termin zu finden. Wir haben uns im Team überlegt, dass ein Termin vor den Wahlen besser ist, als danach. Ein Termin nach den Wahlen hätte uns viele Monate Zeitverzug gekostet. Wir haben uns dann für den Jahreswechsel 2018/2019 entschieden. Das war vom Zeitraum sehr sportlich, aber vom gesamten Team so gewollt.

Und so ist Haldensleben zum „Versuchskaninchen“ geworden.

Sabine Scharf: Wir sind zwar die erste Kommune, die VOIS mit der KID einführt, aber andere haben das ja schon erfolgreich und geräuschlos hinter sich gebracht. Wir hatten nie das Gefühl, ein Risiko einzugehen. Die KID kannten wir ja schon länger und lassen als KITU-Mitglied in deren Rechenzentrum einige Fachverfahren betreiben. Die Leute da verstehen schon ihren Job.

Plaudern Sie doch ein bisschen aus dem Nähkästchen: Wie lief die Umstellung in der Praxis?

Simone Groß: Wir haben die Schließzeiten zwischen den Feiertagen genutzt. Noch vor Weihnachten wurden unsere Daten in das neue Fachverfahren konvertiert. Vom 2. bis 4. Januar 2019 war das Bürgerbüro geschlossen. Wir nutzten die Zeit für intensive Schulungen durch einen HSH-Mitarbeiter hier in Haldensleben. Das waren sehr intensive und spannende Tage. Gleich der erste Öffnungstag war dann auch noch ein langer Tag – also mit einer Öffnungszeit bis 18 Uhr. Das war für uns die Nagelprobe: Würde alles reibungslos klappen?

Und hat es?

Sabine Scharf: Besser als erwartet. HSH- und KID-Mitarbeiter standen uns die ersten beiden Tage zur Seite, erst ab dem dritten Tag waren wir auf uns allein gestellt. Hin und wieder rufen wir noch die für uns zuständigen KID-Anwendungsbetreuer Karsten Eitz oder Torsten Pauer an. Aber das ist immer seltener notwendig.

Simone Groß: Meine Erfahrung ist: VOIS ist selbsterklärend und deshalb relativ schnell erlern- und beherrschbar.

Die entscheidende Nagelprobe waren die Wahlen am 26. Mai ...

Simone Groß: Vor denen hatten wir auch die größten Manschetten. Immerhin führen wir das komplette Wählerverzeichnis der Stadt. Das sind 15.800 Wähler für die Europawahl und 16.500 für die Kommunalwahl. Wir hatten rund 3.200 Briefwahlanträge – allein im Abgleich und Versand steckt da eine Menge Arbeit dahinter. Aber am Ende sind wir sehr zufrieden – VOIS hat gehalten, was wir uns davon versprochen haben.

Hand aufs Herz: War die Umstellung auf VOIS zum jetzigen Zeitpunkt wirklich eine gute Idee?

Simone Groß: Im alten MESO hatten wir zuletzt immer häufiger Systemabbrüche. Mal war der Scanner nicht mehr verfügbar, dann der Unterschriften-Monitor im Nirwana verschwunden oder gar der Drucker nicht mehr aufzufinden. Und ausgerechnet dann sitzt einem ein ungeduldiger Bürger gegenüber, der von den technischen Problemchen möglichst nichts mitbekommen soll. Da wirst Du doch wahnsinnig. Ich gebe zu: Die Umstellung war kein Zuckerschlecken und letztlich mit sehr viel Arbeit verbunden. Nachdem sie nun aber getan ist, sind wir schon ein bisschen stolz auf uns.

Sabine Scharf: Lassen Sie mich noch ergänzen, dass zu einer reibungslosen und erfolgreichen Umstellung zwei Dinge unbedingt dazugehören: Erstens ein engagiertes und stabiles Team, das die Sache hundertprozentig mitträgt. Und zweitens ein Partner wie die KID, der weiß, was er tut und in den ersten Tagen und Wochen auch ständig erreichbar ist. Zum Glück traf beides voll auf uns zu.

juj