
82/83. Ausgabe, 4. Quartal 2021
„Wir hängen an der Administration fest, anstatt uns an Lösungen zu wagen“
Heiß diskutiert: die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes
Es soll alles ganz einfach sein: Neuen Ausweis beantragen, Auto ummelden, Termin im Bürgerbüro vereinbaren, sich um Kita-Platz oder BAföG kümmern – sämtliche Verwaltungsleistungen sollen künftig unkompliziert digital erledigt werden können. Möglich durch das Onlinezugangsgesetz (OZG), nach Bundesbeschluss von 2017 ab Ende nächsten Jahres. Reale Option oder Utopie?
„Angst vor dem 31.12.2022 haben wir nicht“,
sagt Frank Bonse.
Der Referatsleiter OZG gab beim KITU-TAG Auskunft über die Entwicklung der digitalen Vorhaben. Doch schon bei seinen einleitenden Worten wurde deutlich, wie die Entwicklung bisher vorangegangen ist. Oder eben nicht. „Vieles, was wir uns erhofft haben, ist nicht eingetreten.“ Dass die Umsetzung des OZG bis Ende nächsten Jahres funktioniert, bezeichnet er als sehr optimistisch. In der Realität wohl eher utopisch. Das Hauptproblem sei die semantische Dimension: „Wir reden noch immer aneinander vorbei und hängen an der Administration fest, anstatt uns an die Lösung wagen.“ Noch gibt es zu viel Uneinigkeit zwischen den Bundesländern, zu viele unterschiedliche Vorstellungen von Bund, Ländern und Kommunen. Ein einheitliches Gebilde muss jedoch geschaffen werden, betont Frank Bonse, ein Register, bei dem die Lebensdaten eines Menschen erfasst sind, damit bei Anträgen darauf zurückgegriffen werden kann. Es müsse ja nicht gleich perfekt sein, „Hauptsache es geht voran.“ Beispielgebend sei das Elster-System. Die elektronische Steuererklärung zeige, wie es funktionieren kann.

War die Umsetzung innerhalb von fünf Jahren zu optimistisch gedacht? Viele Leistungen basieren auf Bundesrecht, die Verantwortung für die Umsetzung jedoch wurde an die Bundesländer weitergereicht. Diese wiederum übertragen die Aufgaben oft auf die Kommunen. Hunderte Verwaltungsleistungen mit tausenden Einzelprozessen müssen nicht nur einfach von Papier auf Digital übertragen, sondern gleichzeitig überprüft werden, was einfacher, überschaubarer gestaltet oder sogar entfallen kann. Zudem müssen überall dieselben Voraussetzungen geschaffen werden – organisatorisch, technisch, rechtlich und finanziell. Schließlich geht es um eine landesweit mögliche Onlinenutzung, künftig optional in allen EU-Mitgliedsländern.
Die Entwicklung über das EfA-Prinzip (Einer für Alle) bedeutet: Einer konzipiert und entwickelt, allen wird es bereitgestellt. Hat ein Bundesland also bereits ein Projekt entwickelt, soll diese „nachnutzbare Software“ in den anderen übernommen werden. „Wenn es denn so wäre“, moniert Frank Bonse, „noch warten wir auf diese Leistungen, noch sind es nicht viele.“ Sachsen-Anhalt hat zumindest einen Beitrag geleistet: Unser Bundesland ist federführend beim BAföG-Projekt, zu dessen Entwicklungsteam übrigens auch Bonse gehört und das bereits online zugänglich ist.
Der Umsetzung des OZG steht nach wie vor Rechtliches im Wege. Dazu gehört die Erfassung von Daten Minderjähriger und im Justizbereich. Weiterhin ist die Finanzierung unklar, da nur bis zum offiziellen Abschluss 2022 vorgesehen, Fortführung ungeklärt. „Hunderte von Millionen werden wahrscheinlich nicht ausgegeben werden, weil der Fortschritt bei der Umsetzung noch nicht so weit ist.“

Doch die Hoffnung stirbt nicht nur zuletzt, die wird jetzt auch auf Frank Bonse gesetzt. War sein Aufgabenbereich bisher dem Finanzministerium unterstellt, gehört er nun zum neuen Ministerium für Infrastruktur und Digitales. Dort ist das OZG ein wichtiges Thema. „Jeden Donnerstag sprechen wir darüber.“ Dass die Umsetzung bis Ende 2022 nicht geschafft wird, scheint klar. Wie es danach weitergeht, ist nicht geklärt. „Es muss eine Bundesentscheidung geben“, sagt Frank Bonse. „Nur dann können wir regional weiterarbeiten und die Voraussetzung für das OZG schaffen.“ Das Bundesministerium des Inneren hat 2020 ein OZG-Infoportal veröffentlicht, über das der aktuelle Stand einsehbar sein soll. Dort war im zweiten Quartal 2021 zu finden, dass von geplanten 575 Leistungen 315 online verfügbar sind. Zahlen, die sich jedoch kaum unterschieden von denen im Jahr 2020. (Der Server berichtete in der vorigen Ausgabe.) Ob sich seitdem etwas geändert hat? Um den aktuellen Stand bei der Umsetzung des OZG einzusehen, wollten wir uns kurz vor Redaktionsschluss auf der Seite www.onlinezugangsgesetz.de informieren. Die Seite war jedoch – selbst am Sonntagabend – nicht zu erreichen.
BiA