
82/83. Ausgabe, 4. Quartal 2021
Die Geschichte digitaler Speichermedien
Warum Speicherplatz eine wertvolle Ressource ist
Experten rechnen damit, dass bis 2025 weltweit rund 175 Zettabyte Daten gespeichert werden. Der Hunger nach digitalem Speicherplatz wächst schneller, als die Möglichkeiten ihn zu stillen. Eine Chronik digitaler Speichermedien.
In der Cloud findet alles Platz, vom Foto über Games bis hin zu Regierungsdateien. Sie ist unendlich, solange dafür bezahlt wird. Zumindest suggerieren das Unternehmen seit ein paar Jahren.
Ausgerechnet Großkonzern Google rudert als erster zurück. Seit Juni 2021 gibt es bei Google Photo nicht wie bisher unbegrenzten Speicherplatz für hochauflösende Fotos, sondern maximal 15 GB – die Daten toter Accounts (> zwei Jahre inaktiv) werden gleich ganz gelöscht. Dieser Trend zeigt sich übrigens auch in Googles Business-Tools-Bereich. Bisher brachte das Angebot G Suite Business unbegrenzten Online-Speicherplatz mit sich. Mit der Umgestaltung und dem Rebranding zu Google Workspace wird es auf lange Sicht keinen unbegrenzten Speicherplatz mehr geben. Ende des Jahrzehnts könnte es bereits ungewiss sein, wo wir unsere Daten speichern.

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Da der vorliegende Text die Geschichte digitaler Speichermedien nacherzählt, soll der Blick ins Analoge ein kurzer bleiben. Halten wir trotzdem kurz fest: Die älteste derzeit bekannte Höhlenmalerei wurde auf der indonesischen Insel Sulawesi entdeckt, zeigt ein lebensgroßes Warzenschwein, das mit dunkelroten Ockerpigmenten auf Stein gezeichnet wurde, und ist mindestens 45.000 Jahre alt.
Keines der digitalen Fotos, das die werte Leserschaft mit dem Smartphone macht, wird noch in 45.000 Jahren existieren.

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Die Lochkarte gilt als Mutter der Datenverarbeitung. Konzeptionell geht die Lochkarte vermutlich – Quellen sind sich uneinig – aus dem Prinzip automatisierter Musikinstrumente hervor, etwa der Spieluhr, bei der geprägte Walzen für ein Abspielen der immer gleichen Tastenanschläge sorgen. Lochkarten funktionieren ähnlich simpel: Tabellenartig sind an festgelegten Punkten entweder Löcher oder eben keine Löcher – ja oder nein, das Grundprinzip der Digitaltechnik.
Dieses Prinzip nutzt der französische Erfinder Joseph-Marie Jacquard, um den bereits etablierten mechanischen Webstuhl etwa um 1805 herum vollends zu automatisieren; laut biografischer Notizen auch, weil er als Kind die Arbeit in der Textilproduktion hasste. Die Löcher in den Karten lassen den Haken entweder durchfallen und den entsprechenden Faden nehmen – oder nicht. Revolutionär. Aufwändige Muster für jede Preisklasse. Das Proletariat hasst Jacquard; aus Angst um die Arbeitsplätze, die womöglich wegfallen.
Der US-Ingenieur Herman Hollerith nutzt das Lochkartenprinzip, entwickelt daraus aber ein Verfahren aus Lochkarten und dazugehöriger Tabelliermaschine für die US-amerikanische Volkszählung 1890. Die jeweiligen Positionen auf der Lochkarte sind für spezifische Positionen reserviert, etwa Ethnie, Religion, Haarfarbe, etc. Es versteht sich von selbst, dass das Prinzip ein Erfolg wird. Karte und Lesegerät werden weiterentwickelt und finden letztendlich in der Verwaltung und Buchhaltung Einzug. Der Begriff Hollerithkarte ist gebräuchlich.
Hollerith gründet zunächst die erfolgreiche Tabulating Machine Company (TMC), verkauft diese gegen Ende seines Lebens wieder. Die TMC erweitert ihr Angebot, expandiert über die Landesgrenzen der USA hinaus und firmiert ab 1924 unter International Business Machines Corporation (IBM) – richtig: das Unternehmen, das den PC auf den Markt bringt. Die Standard-Lochkarte fasst übrigens 80 Byte. Entsprechend bräuchte man eine Million Lochkarten um 80 MB zu speichern. In der Gegenwart fasst ein handelsüblicher USB-Stick etwa 256 Gigabyte – versuchen Sie nicht, es sich vorzustellen.
Übrigens: Entwürfe aus dem Jahr 1948 zeigen, dass auch der Erfinder des programmgesteuerten Digitalrechners, Konrad Zuse, die Lochkarte nutzen wollte für eine modulare Buchungsmaschine im Heimformat. Aber was hätte es mehr sein können, als ein Abgesang?

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1951 liefert der einstige Büroausstatter Remington Band den UNIMAC I (Universal Automatic Calculator / Computer – je nach Quelle) aus, den ersten seriell gebauten Hochleistungsrechner auf dem Markt. 13 Tonnen pure Maschinengewalt brauchen 35 Quadratmeter Stellfläche, führen aber rund 2000 Berechnungen pro Sekunde aus. Ein Meilenstein. Als externen Speicher nutzt die Anlage Magnetbänder und zementiert diese Technik für viele Jahre als das Mittel der Wahl für Datenspeicherung.
Ein mit magnetisierenden Material beschichtetes Magnetband wird über einen Schreibkopf gefahren. Die Informationen werden sequentiell darauf gespeichert. Neubeschreibungen sind kein Problem und die Haltbarkeit von mindestens 30 Jahren wird das Magnetband auch in der Zukunft noch für große Unternehmen attraktiv machen.
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1969 sind Magnetbänder nicht obsolet, aber die auf einem ähnlichen Prinzip basierende Diskette startet ihren Siegeszug als populärstes Speichermedium. Genutzt wird statt eines Bandes eine Magnetscheibe. Die ursprüngliche 8-Zoll-Diskette bekommt aufgrund ihrer flexiblen Plastikhülle den Spitznamen „floppy disk“ (dt. weich, wabbelig). Die ersten Versionen fassen rund 80 KB, also etwa so viel wie 1000 Lochkarten, und konnten vom Endnutzer noch nicht beschrieben werden.
1972 kommt mit dem Memorex 650 das erste kommerzielle Disketten-Schreib-und-Lesesystem für den kommerziellen Endnutzer auf den Markt. Eine kleine Revolution.
1976 etabliert sich die 5,25-Zoll-Diskette als Standard; sicherlich auch, weil der beliebte Commodore 64 ein solches Laufwerk nutzte. Disketten fassen bis zu (sagenhaften) 1,2 MB.
1982 bringt der Technikriese Sony eine 3,5-Zoll-Floppy auf den Markt, die mit knapp 1,4 MB für eine lange Zeit der Standard mobiler Datenspeicherung sein wird. Auch wenn im gleichen Jahr eine weitere Daten(r)evolution statt-findet.
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1982 erscheint The Visitors, die weltweit erste kommerziell genutzte und in Serie produzierte, in diesem Fall gepresste, Audio-Compact-Disc – die CD. Entsprechende Abspielgeräte kosten bis zu 1000 Dollar. Diesem Erfolg gehen aber viele Jahre Forschung und Entwicklung voraus: Klaas Compaan, Physiker beim Tech-Konzern Philips, entwirft bereits 1969 die Idee zur CD, baut 1970 den Prototypen einer „Glas-Disc“. Daten werden nur noch via Laser ausgelesen. Physischer Kontakt zwischen Lesekopf und Datenträger wird überflüssig – nebenbei prägt sich deshalb die Bezeichnung optisches Speichermedium ein. 1978 beschließen die führenden Audiotech-Anbieter einen Standard für die Audio-CD.
1989 entdeckt die Industrie die CD auch als Datenspeicher über die Musik hinaus. Grund ist die Entwicklung beschreibbarer Rohlinge. Nutzer können die Daten einmalig selbstständig auf den Rohling brennen, eine Pressung ist nicht mehr nötig.
Zu dieser Zeit bietet das Speichermedium bis zu 900 MB Platz. Bereits 1992 wird die Technik für den Heimanwender verfügbar. Dass man 1994 versucht, mit sogenannten ZIP-Disketten der CD wieder den Rang abzulaufen, ist im Verlauf der Technikgeschichte vergessenswert.

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2000 kommt der DiskOnKey von IBM auf den Markt: 32 MB, groß wie ein Schlüssel – ein USB-Stick. Das Prinzip ist nurmehr erahnbar, pure Magie, wenn man weniger technikaffin ist, denn der Aufbau ist simpel. In der Hülle befinden sich nur zwei Elemente: ein Speicherchip (Flashspeicher) und ein Steuerelement. Bis in die Gegenwart werden USB-Sticks ihre Speicherkapazität auf bis zu 256 GB vermillionenfachen. Zurück geht die Entwicklung, je nach Quelle, auf den israelischen Ingenieur Shimon Shmueli oder den israelischen Ingenieur Dov Moran.
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2006 ist die Zeit der zufälligen Entwicklungssprünge im Bereich der Speichertechnik vorbei. Bereits der Einführung der Digital Versatile Disc (DVD), anno 1996, geht ein Auftrag der Filmindustrie voraus, die konkrete Anforderungen für die Entwicklung eines neuen Mediums stellt: darunter Platz für 130 Minuten Laufzeit, bei besserer Bildqualität als die Videokassette, digitale Mehrspurigkeit für z. B. Sprachversionen und Untertitel – die Abmessungen sollten denen einer CD entsprechen. Die DVD bietet Platz für 4,7 GB Daten – pro Seite bei der Double-Layer-Technologie.
Die Einführung der Blu-Ray und der vermeintliche Formatkrieg gegen die HD-DVD († 2008) sind rückblickend nur eine logische Entwicklung der gleichen Phänomene bei der DVD. Die blau-reflektierende Scheibe speichert bis zu 50 GB Informationen. Für den Heimvideomarkt exzellent, als Speichermedium im eigentlichen Sinne aber unterwältigend – zumindest im Kontext zu externen Festplatten die derzeit 5 und mehr Terrabyte (TB) speichern können.

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In der Gegenwart liegen unsere Daten in der Cloud. Fotos, Videos, Dokumente, Games – alles liegt in der Cloud. Und das bedeutet: Alles liegt auf dem Rechner eines Anderen, auf dessen Speicher wir via Internetleitung zugreifen. Cloud malt also ein hübsches Bild einer vermeintlichen Datenwolke, die um uns herumschwirrt und in die wir nur greifen müssen. Wir könnten nicht weiter danebenliegen. Wir übergeben unsere Daten an fremde Personen, um sie mit anderen zu teilen; von überall darauf zugreifen zu können – Luxus. Und wie viel Speicher stellt dieser abstrakte Speicher zur Verfügung?
2010 produzierte die Menschheit ein Datenvolumen von 59 ZB. 59 Zettabyte. 59 Billionen Gigabyte. Für 2025 wird ein Volumen von 175 ZB prognostiziert. Unsere Speichersysteme reichen nicht mehr. Zumindest nicht unsere mechanischen.
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Der Bauplan jedes Lebewesens liegt in dessen DNA – Deoxyribonucleic Acid. Die DNA hingegen besteht aus lediglich vier Grundbausteinen: Guanin, Thymin, Cytosin und Adenin. Für ein Forschungsteam der TU München liegt darin der Schlüssel zu nahezu unbegrenzter Speicherkapazität. Korrekt zugewiesen und codiert, passen in ein Gramm DNA knapp 200 Milliarden GB.
Der Mensch – ein unbegrenzter Speicherplatz?
Autor: Robert Gryczke
Fotos: hanasaki8739, crispyphotos, finkelsen, rawpixel friendlydrag | 123rf
Quellen: SWR.de, „Älteste Höhlenmalerei[…]“ vom 15.01.2021; Dictionary.Cambridge.org, „Punch Card“, abgerufen am 27.09.2021; Jacob.de, „Von der Lochkarte[…]“, abgerufen am 27.09.2021; WKDiscPress.de, „Chronik[…]“, abgerufen am 28.09.2021; BR.de, „Speichern für Big Data“ vom 09.06.2021; Gadgets.NDTV.com, „Google Photos[...]“ vom 12.11.2020; Sastrify.com, „Migration From G Suite[…]“ vom 10.06.2021; ITSystemkaufmann.de, „Lochkarte[…]“ vom 17.06.2016; Deutschlandfunk.de, „Vom Webstuhl[…]“ vom 07.08.2009; Heise.de, „Zahlen, bitte![…] vom 15.01.2019; Bernd-Leitenberger.de, „Magnetbänder“ vom 22.11.2012; Bremen-Digitalmedia.de, „UNIMAC I“, abgerufen am 29.09.2021; Heise.de, „Atomwaffensteuerung[…] vom 21.10.2019; Elektronikpraxis.Vogel.de, „2000[…] vom 09.02.2021; TheConversation.com, „The world’s[…]“, abgerufen am 01.10.2021