
62. Ausgabe, 3. Quartal 2016
Die Ur-Ur-Enkel von Pokémon
Die rasante Entwicklung der Computerspiele
Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte wandelt sich die Welt so schnell wie in unseren Tagen. Was gestern noch der letzte Schrei war, kann heute schon museumsreif sein. Vor allem die Computertechnik und das Internet haben das Leben der Menschen revolutioniert. In einer neuen Serie erinnert der Server an Innovationen, die noch keine 20 Jahre alt, aber schon fast Geschichte sind. In der zweiten Folge widmen wir uns der Geschichte der Computerspiele.
Der Hype um „Pokémon Go“, des ersten wirklich mobilen Computerspiels, war groß. Aber auch kurz. Die Halbwertzeit von IT-Innovationen ist zuweilen kürzer als die Haltbarkeitsdauer von, na sagen wir, Bananen. „Pokémon Go“ aber hat deutlicher als andere Spieleideen klar gemacht, dass das Neue zwar grandios starten, aber auch immer schneller wieder hart landen kann. Das war zwar schon immer so, aber es dauerte deutlich länger.
Werfen wir einen Blick zurück und vergessen mal für einen Augenblick das Wunderding unserer Tage, dass es uns an jedem Ort und zu jeder Zeit ermöglicht, ständig online, dauernd vernetzt und schnell informiert zu sein. So sehr das Smartphone in Verbindung mit dem Touchscreen unsere Lebens- und Spielgewohnheiten auch revolutioniert hat – die Geschichte der Computerspiele über die letzten Jahrzehnte war mehrmals von ähnlich einschneidenden Phasen geprägt.
Die Spielzüge der allerersten digitalen Spiele wurden nicht an einem Bildschirm angezeigt, sondern über einen Drucker auf Papier ausgegeben. Bedingt durch ihre Größe und den hohen Preis dienten Computer lange Zeit nur wissenschaftlichen oder militärischen Zwecken. Doch so manche Rechenmaschine wurde von ebenso experimentierfreudigen wie verrückten Studenten bald so programmiert, dass sie einfache Spiele darstellen konnten. Simple Strategiesimulationen wie Tic-Tac-Toe oder Nim zum Beispiel. Von 1958 datiert das erste Sportspiel („Tennis for Two“),1962 ist der erste Shooter („Spacewar“) datiert. Ausnahmslos alle Spiele wurden an Universitäten entwickelt. Sie waren eher wissenschaftliches Experiment zur Auslotung der technischen Möglichkeiten als massentaugliche Prototypen. Ohnehin hatten nur ganz wenige das Geld und die Räumlichkeiten für die ersten Computer.
Das Jahr 1972 markierte den Beginn einer Revolution im Bereich der Computerspiele. Mit Erscheinen des Spiels „Pong“ von Atari begann die Phase der erfolgreichen Spielhallenspiele, auch Arcade Games genannt. Bei „Pong“ bewegte sich auf einem zweidimensionalen Spielbrett ein Punkt oder Ball von links nach rechts. An beiden offenen Enden des Spielfelds befand sich ein einfacher Strich oder Tennisschläger, der nach oben und unten bewegt werden konnte. So einfach das Spielprinzip auch war, es löste in den 1970er Jahren weltweite Begeisterung für Computerspiele aus. Als dann Röhrenfernseher immer preiswerter hergestellt werden konnten, schaffte die einfache Tennissimulation als Spieleautomat den Durchbruch - als Nachbar von Flipperautomaten in Spielhallen und Gaststätten. Als später die Automaten schrumpften, landeten sie als Spielkonsole in den Wohnzimmern. Es war die Geburtsstunde der ersten Konsolengeneration und ein Quantensprung in der Evolution von Computerspielen. Jetzt wurden Spieletitel zu Legenden: „Adventure“ (1972), das erste farbige Bildschirmspiel „Pacman“ (1980), „Donkey Kong“ (1981), „Space Invaders“ (1978).
Die zweite Heimkonsolen-Generation wurde mit dem 1977 erschienenen „Atari 2600“ ausgelöst. Für viele die erste „echte“ Heimkonsole. Erstmals konnte man Spiele einfach austauschen – über einen Schlitz am Gerät. Bis 1983/84 erlebte der Konsolenmarkt einen rasanten Aufstieg. Allein Atari warf mehr als 1.200 Spiele auf den Markt. Dummerweise wurden nicht alle offiziell lizensiert. Ein schwerer Fehler.
1984 dann der große Einbruch. Beim „Video Game Crash“ brach in Nordamerika der Markt für Spielmodule fast komplett zusammen. Machte die Videospielbranche 1982 noch 3 Milliarden Dollar Umsatz, ging diese Zahl 1983 auf 100 Millionen Dollar zurück. Denn plötzlich überschwemmten einerseits massenhaft schlecht programmierte Spielen den Markt, andererseits brachten auch andere Hersteller eigene Spielkonsolen auf den Markt.
Die Einführung der ersten preiswerten Heimcomputer wie „Commodore 64“ oder „Apple II“ erledigten den Rest. Denn die neue PC-Generation konnte mehr als nur rechnen; sie war Spiel- und Arbeitsgerät in einem, bot Textverarbeitungsprogramme und Programmiersprachen. Neue Spiele erschienen auf Disketten, die man mit ein paar Tricks relativ einfach raubkopieren und vervielfältigen konnte.
In der dritten und vierten Konsolengeneration teilten sich Sega und Nintendo den Markt. Super Nintendo (1991) auf der einen Seite und Sega Mega Drive (1988) auf der anderen sorgten mit hochauflösender Grafik für einen neuen Aufschwung. Mit dem „Game Boy“ von Nintendo, dem „Game Gear“ von Sega und „Lynx“ von Atari wurde nun das Spielen auch unterwegs möglich. Allein Nintendo verkaufte bis 2014 mehr als 118 Millionen „Game Boys“. Zusammen mit dem Nachfolger Nintendo DS ist es das meistverkaufte transportable Spielgerät der Welt.
Parallel zum Konsolenmarkt mauserte sich auch der PC zunehmend zum Spielgerät. Doch im Spannungsfeld zwischen Computer und Videospielkonsole war der PC aufgrund seiner offeneren Struktur oft Wegweiser für kommende – vor allem grafische – Neuerungen. Ehe die nächste Konsolengeneration neue Grafikchips bekam, hatte der PC sie schon. Andererseits bremste ausgerechnet dieser Umstand den technischen Fortschritt: Denn die Programmierer mussten sich bei neuen Spieletiteln für Konsolen und PC am jeweils leistungsschwächsten Gerät orientieren. Ein Kompromiss, der bei jedem Übergang zwischen zwei Konsolengenerationen schmerzlich sichtbar wurde. Schlimmer noch: Selbst für das neue Gerät konnte der Programmierer sein Potenzial nicht umsetzen, da die Entwicklung kostenoptimiert für beide Systeme gleichzeitig stattfand.
2004/2005 hielt der Touchscreen auf portablen Konsolen Einzug. Der Nintendo DS bot erstmals einen zusätzlichen Touchscreen-Bildschirm, ein Mikrofon zur Eingabe und Online-Fähigkeiten. 2011 kam mit dem Nintendo 3DS ein Gerät heraus, das sogar ohne Brille einen 3D-Effekt erzeugte.
Auch auf dem Heimkonsolenmarkt ging es mit Nintendo Wii U, Sony Playstation 4 und Microsoft Xbox One in ein neues Zeitalter. Jetzt gab es HDMI-Ausgänge und Onlinefunktionen, die das vernetzte Spielen ermöglichten. Anfang 2014 erschien mit Titanfall für die Xbox One ein Egoshooter, der komplett auf einen Einzelspieler verzichtet und nur über einen Online-Multiplayer verfügt. Der Trend zum vernetzten Spielen hat längst alle Spielgeräte erreicht. Heute zählen „League of Legends“ oder „DOTA 2“ zu den meist gespielten Spielen weltweit, erzielen ihre Umsätze nicht mehr durch den direkten Verkauf, sondern zum Beispiel durch Microtransactions. Auf Tablets und Smartphones sowie in sozialen Netzwerken basieren Spiele auf dem sozialen Miteinander, man hilft sich gegenseitig im Spielfortschritt: Im Spiel „Candy Crush“ hat der Spieler nur 5 Versuche, die Aufgabe zu lösen. Danach muss eine halbe Stunde gewartet oder eine Freischaltung gekauft werden.
Die Spielekultur unserer Tage ist geprägt von einer globalen Spielgemeinschaft. Ohne die Wohnung verlassen zu müssen, trifft man sich im Internet zum gemeinsamen Spielen. Daneben wird immer mehr mobil gespielt. Das Smartphone ist heute leistungsfähiger als es jeder hochgerüstete PC noch vor zehn Jahren war. Es bietet zahlreiche günstige Spiele, die sowohl als Pausenfüller und als komplettes Abenteuer für mehrere Spielstunden dienen. Die ständige Vernetzung mit anderen Spielern und das mobile Spielen unterwegs sind die beiden entscheidenden Merkmale der gegenwärtigen digitalen Spielkultur. Mit „Pokémon Go“ erschien in diesem Sommer das erste Computerspiel, das die Bewegung im Freien voraussetzt. Der Hype ist zwar schon wieder vorbei, doch die nächste Spielegeneration dürfte genau an der Verknüpfung zwischen Smartphone und realistischer Umgebung anknüpfen.
INFOS
Die erfolgreichsten Videospielserien
Mario (über 295 Millionen)
Grand Theft Auto (220 Millionen)
Pokémon (193 Millionen)
Tetris (125 Millionen)
Die Sims (125 Millionen)
Call of Duty (100 Millionen)
Need for Speed (100 Millionen)
Final Fantasy (97 Millionen)
Madden NFL (75 Millionen)
Assassin’s Creed (73 Millionen)
FIFA (65 Millionen)
The Legend of Zelda (59 Millionen)
Quelle: wikipedia
Autor: juj