„Papi, wieso kann ich das Foto nicht sofort angucken?“

Naive Frage einer Dreijährigen trifft auf die Besessenheit eines Edwin Herbert Land

Als digitales Fotografieren noch unvorstellbar war, brauchte es viel Zeit, ehe man ein Bild in der Hand halten konnte. Nötig waren ein  Negativfilm, Dunkelkammer, Fotopapier, verschiedene Bäder und eine Menge Geschick. Ein aufwendiger Prozess, der von der breiten Masse nicht zu bewältigen war. Das änderte sich erst mit der Erfindung von Edwin Herbert Land (* 7. Mai 1909 in Bridgeport, Connecticut, USA; † 1. März 1991 in Cambridge, USA). Der Physiker erfand das Polaroid-Trennbildfilm-Verfahren und gilt seither als Pionier der Fototechnik.

Die Polaroid Land Kamera (1970) verfügte über eine Kunststofflinse und verwendete Sofortbildfilm.

Mit 17 hat man noch Träume ... Es ist 1926 und der ehrgeizige Edwin Land nimmt sich eine Auszeit vom Studium an der Harvard University. Er reist nach New York. Luftveränderung, Kopf durchpusten, frei werden. Entrückt bummelt er nachts durch die hellerleuchtete Innenstadt. Auf dem Broadway ist er vom schrillen Lichtermeer aus Leuchtreklamen, Kinotafeln und tausenden Autoscheinwerfer schwer beeindruckt. Dieses unaufhörliche Blitzen des Lichtes projiziert ein ganz bestimmtes Bild in seine Gedanken: „Ich sah plötzlich eine Möglichkeit, wie man den grellen Schein ausschalten kann.“ Land weiß, dass Lichtwellen normalerweise in mehreren verschiedenen Ebenen schwingen und so das gestreute Licht erzeugen, das das Auge als grell empfindet. Lands Idee: ein Filter zur Kanalisierung, also eine Art Polarisierung, mit der Lichtwellen in einer einzigen Schwingungsebene verwendet werden. Zwar ist dieser Mechanismus seit dem 17. Jahrhundert bekannt, doch Edwin Land ist der erste, der daran denkt, polarisierende Kristalle in eine Plastikschicht einzubetten, aus der man Linsen herstellen kann.

Die Nacht von New York lässt den jungen Mann nicht mehr los. Besessen von seiner Idee experimentiert er unermüdlich herum. 1928 hat der junge Erfinder die Polarisationsscheiben, die ihm in jener Nacht auf dem Broadway eingefallen waren, entworfen, gebaut und patentieren lassen. 1932 sind seine Polarisationsfilter aus Kunststoff, die sogenannten Polaroid-Filter, auch in fast beliebiger Größe herstellbar. Er verlässt Harvard ohne Abschluss und gründet mit seinem Physiklehrer Wheelwright ein Labor, um seine Erfindung weiterzuentwickeln. Daraus entsteht 1937 die Polaroid Company.

Edwin Land lebt als Präsident, Aufsichtsratsvorsitzender und Forschungsleiter  von Polaroid nach strengen Grundsätzen: „Ich leihe mir kein Geld, meine Gewinne stecke ich in die Forschung.“ Auch privat hat er seine Regeln: Er lebt einsam und zurückgezogen, lehnt Interviews fast immer ab und schreibt niemals Briefe.

Das Geschäft mit photographischen Lichtfiltern und Sonnenbrillen läuft dank lukrativer Verträge mit dem Militär während des Zweiten Weltkriegs sehr gut. Doch bald war der Bedarf gedeckt und die Verträge liefen aus. Lands Gesellschaft trudelt gefährlich nahe am finanziellen Desaster.

Und wieder ist es ein Geistesblitz in der Freizeit, der 1943 sein Leben verändert. Diesmal ist es nicht New York, sondern Santa Fé. Während eines Urlaubs mit seiner Frau Terre macht Land Fotos von seiner Tochter Jennifer. Als die 3-Jährige naiv fragt, warum sie denn die Bilder nicht sofort sehen könne, ist Land wie zu Stein erstarrt: „Was man denken kann, kann man auch tun“, erinnert er sich. Land stürzt  sich auf die Idee vom „Sofortbild“; wie er später erzählte, will er sich innerhalb einer Stunde über die Kamera, den Film und die physikalische Chemie völlig im Klaren gewesen sein. Es dauert vier Jahre. Am 21. Februar 1947, am Tag nach dem Erntedankfest, stellt Land im Bostoner Jordan-Marsh-Warenhaus die erste Polaroid-Land-Kamera, vor. Das sogenannte „Modell 95“ wiegt mit Film stattliche 2,5 Kilogramm und machte pro Filmpäckchen acht sepiafarbene Abzüge. Jedes Bild wird innerhalb von 60 Sekunden entwickelt. Als die Wunderkamera Weihnachten 1948 auf den Markt kommt, wird sie ihnen aus der Hand gerissen. Ab 1950 werden die Bilder schwarzweiß, doch noch immer müssen sie nach der Entwicklungszeit von 15 bis 30 Sekunden mit einem Klarlack bestrichen werden. Zu diesem Zweck sind den Filmen  getränkte Schwämmchen beigelegt, mit denen die Bilder fixiert werden müssen. Erst 1963 kommt Farbe ins Spiel und die Bilder haben die anschließende Klarlackschicht nicht mehr nötig.

1958 macht die Polaroid Corporation 59 Millionen Dollar Umsatz im Jahr. Später arbeitet Edwin Land an verschiedenen Problemen der Phototechnik, unter anderem an der Entwicklung von Hochleistungsluftbildfotoapparaten, beispielsweise für das Spionageflugzeug Lockheed U-2.

Als Land sich 1982 von Polaroid zurückzog, besaß er akademische Ehrengrade von mindestens 15 Universitäten und 533 Patente in den Vereinigten Staaten.

juj

Das Prinzip der Sofortbildkamera

Bei Sofortbildkameras sind die chemischen Reaktionen wie aus der klassischen Fotoentwicklung bereits im Fotoapparat integriert. In der ursprünglichen Sofortbildkamera bestand der Film aus einer Doppelrolle aus Negativ- und Positivblättern, in den neueren Modellen befinden sich alle benötigten Chemikalien in einem Blatt Fotopapier. Beim Herausziehen des Papiers aus der Kamera werden die Chemikalien miteinander vermischt, sodass nach ein paar Sekunden das Bild erscheint.