58. Ausgabe, 3. Quartal 2015

Warum Herr Rambold den Teebeutel liebt

Tee trinken und abwarten - Adolf Rambold erfindet 1929 den Teebeutel

Zahlreiche Erfindungen in den vergangenen Jahrhunderten haben die Welt verändert. In einer Serie erinnert der Server an Erfindungen, die das Leben der Menschen beeinflusst haben. In der 27. Folge erzählen wir die Geschichte von Adolf Rambold (* 5. Oktober 1900 in Stuttgart; † 14. Mai 1996, Meerbusch). Er erfand 1929 den Teebeutel.

Mit dem Tee ist das so eine Sache. Tee ist nicht einfach nur ein Getränk, Tee ist eine Religion. „Abwarten und Tee trinken“ heißt es schließlich nicht ohne Grund. Mindestens zwei, aber keinesfalls länger als 5 Minuten muss er ziehen; das Aufgusswasser darf nicht mehr heißer als 85 Grad sein, und pro 100 Milliliter Wasser braucht man mindestens zwei Gramm Tee. Pappbecher gehen gar nicht, eine Porzellantasse ist ein Muss für echte Teekenner.

Teetasse © Spectrum WW

Königin Elisabeth dürfte aus tiefstem Gaumen einen Teebeutel verschmähen – anders als die meisten ihrer Landsleute, die angeblich die eifrigsten Teetrinker der Welt sind und täglich 165 Millionen Tassen wegschlürfen. Da muss es manchmal schon etwas schneller gehen, als die langatmige Prozedur mit Aufbrühen, Abseihen und Umfüllen. Dank eines Deutschen, der 1929 den praktischen Teebeutel erfand, kann das sogar schmackhaft sein.

Doch stopp: die ersten „Teebeutel“ tauchten ja bereits 1904 oder 1908 auf. Allerdings eher aus Versehen. Absender war der Teehändler Thomas Sullivan. Seinerzeit verschickten Menschen wie er ihre Teeproben in großen und teuren Blechdosen an potentielle Kunden. Um das Gewichtsproblem beim Versand zu vermeiden, stopfte Sullivan einige lose Blätter in Seidenbeutel und verschickte sie als Gratisproben. Die Kundschaft fand das praktisch, tauchte die kleinen Beutel ins heiße Wasser und genoss. Sie glaubten, Sullivan habe das so beabsichtigt. Doch bald geriet der seidene Teebeutel in Verruf, da Nachahmer allerlei Minderwertiges (Kräuter oder feinkrümeligen Abfall) untermischten. Jahrzehnte hielt sich das Gerücht, in Teebeuteln befinde sich generell Tee minderer Qualität. Daran änderte sich auch nichts, als der Brite John Homiman ein Papiertütchen für den Tee erfand, das er zusammenklebte. Kein Wunder, denn nun schmeckte der Tee nach Klebstoff.

Das Dresdner Unternehmen Teekanne hingegen setzte im Ersten Weltkrieg auf Mull und verpackte darin den Tee portionsweise für die Truppenverpflegung. In der Tasse wurde jetzt zwar das Wasser braun, das Aroma aber blieb im Mull zurück. Zwar schmeckten die „Teebomben“, wie man die kugelförmigen Mullkissen nannte, nach nichts, doch sie schafften wenigstens den Sprung von der unrentablen Handfertigung in eine Art Teebeutelmaschine. So sehr sich aber die Teekanne-Ingenieure mühten, die Maschine lief einfach nicht rund. Als nichts mehr half, vertraute man bei Teekanne einem 18-Jährigen die störrische Maschine an: Entweder, er packt es oder das Projekt würde scheitern. Adolf Rambold, bester Lehrling seines Jahrgangs, war ehrgeizig. Obwohl er nie eine technische Hochschule besucht hatte, gelang dem Mechaniker, was die gesamte hochbezahlte Ingenieur-Armada des Unternehmens nicht geschafft hatte. Der Grünschnabel beseitigte die Fehler in der Maschine und entdeckte in der optimalen Verpackung von Tee in Beuteln seine Lebensaufgabe.

Teebeutel © Spectrum WW

Mit Wiederaufnahme der Teekanne-Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg in Düsseldorf schlägt für Rambold die große Stunde. Vor dem Krieg hatte er bereits den Mull durch ein geschmacksneutrales Spezialpergament ersetzt. Nun konstruiert er in dem von ihm 1948 als Tochterunternehmen der Düsseldorfer Teekanne GmbH aufgebauten Betrieb eine weltweit konkurrenzlose Maschine. Er nennt sie „Constanta“. Die Doppelkammermaschine faltet rechteckige Streifen aus Zellulosefasern zu einem Schlauch, befüllt ihn beidseitig mit Tee und knickt ihn mit einem Trennstreifen in der Mitte. So entsteht ein mit Heftklammern verschlossenes Zwei-Kammer-Kissen: der Teebeutel, wie wir ihn heute kennen. Durch die Doppelkammer wird der Tee in der Tasse von allen Seiten vom Wasser umspült, so dass er sein Aroma, anders als in der klumpigen Vorkriegs-Teebombe, optimal freigeben kann. Rambolds erste Doppelkammermaschine produziert anfangs 120 Teebeutel pro Minute. Bis zu seinem Lebensende steigert er die Kapazität auf 450 Stück. Heute laufen die Anlagen aus Meerbusch in mehr als 50 Ländern.

Fast 50 Jahre lang perfektioniert Rambold seine Doppelkammer-Teebeutelmaschine, die in alle Welt verkauft wird und den Teemarkt revolutioniert.

Zeitzeugen wie Wilhelm Lohrey, der von 1978 an die rechte Hand des Erfinders war, erinnern sich an Rambold als einen „genialen Menschen“: „Er lebte zurückgezogen in seiner Welt für die Maschine. Was um ihn herum vorging, das hat ihn nie so ganz interessiert.“ Selbst im hohen Alter konnte Adolf Rambold nicht von seinem technischen Wunderwerk lassen.

Am 14. Mai 1996 stirbt er im Alter von 96 Jahren. Das Goethe-Institut zählt ihn heute zu den bedeutendsten Erfindern Deutschlands.

Autor: Jens-Uwe Jahns