68. Ausgabe, 1. Quartal 2018

„Wissen Sie, wie spät es ist?“

Ein Streifzug durch die 5000 Jahre lange Zeit der Zeitmessung durch Menschen

Wann sind Sie zuletzt von einem Schulkind gefragt worden: „Könnten Sie mir bitte sagen, wie spät es ist?“ Vermutlich ist es sehr, sehr lange her. Denn inzwischen ist die Zeit allgegenwärtig. Uhren sind kein Luxusgut mehr, sondern in jedem Handy gratis dabei. Die über 5000 Jahre der Zeiterfassung sind ein spannendes Kapitel der menschlichen Entwicklung. Alles beginnt mit Sonne und Mond, Nacht und Tag ... 

Der Wechsel zwischen Nacht und Tag, Sonne und Mond muss schon auf die ersten Menschen eine magische Wirkung gehabt haben. Heute wissen wir, dass verblüffend viele und verschiedene alte Kulturen ganz unabhängig voneinander erkannt haben, dass man mit Hilfe von Sonnenauf- und -untergang sowie den wandernden Schatten die Zeit messen kann. Frühformen eines Kalenders hatten vermutlich schon die Jäger und Sammler der letzten Eiszeit. Forscher aber sind sich sicher, dass der eigentliche Ursprung unserer heutigen Uhr bei den Sumerern und alten Ägyptern liegt. Sie sind die wahren Erfinder der Zeitmessgeräte. Den Beweis liefern rund 6000 Jahre alte Tontafeln, auf denen ein senkrecht in die Erde gesteckter Holzstab zu sehen ist, der einen Schatten wirft. Der Schattenstab ist die erste Uhr der Evolution, die heutzutage unter dem Begriff „ Sonnenuhr“ bekannter ist. Die Sumerer und Ägypter nutzen sie spätestens um 3000 vor Christus und wenig später auch die Chinesen.

Was ein bisschen Spannung in die gleiche Geschichte bringt, ist die Tatsache, dass es schon zu jener Zeit mehrere Zeitsysteme gibt, an denen sich die heute gebräuchlichen Sekunden, Minuten und Stunden orientieren. Grundlage sind das Sexagesimalsystem der Babylonier (Basiszahl 60) und das daraus entstandene Duodezimalsystem (12er-Einheiten) sowie die Einteilung des Tages der Ägypter in zweimal zwölf gleich lange Abschnitte. Alle drei Einteilungen sind bis heute Standard.

Doch zurück zu den Anfängen: So schön einfach das Sonnenuhr-Prinzip auch ist, bei  Nacht, bei Wolken oder im Winter wird es zappenduster. Auch bei der unterschiedlichen Länge von Tages- und Nachtzeiten oder bei Dunkelheit und Schattentagen ist mit der Sonnenuhr kein Blumentopf zu gewinnen.

Bis der schlaue Amenemhet kommt. Der will 1520 v. Chr. seinen Herrscher beeindrucken und nimmt sich im Auftrag des ägyptischen Königs Amenophis I. den Problemen an. Seine Idee ist das Wasser, das das Zeitablesen in der Nacht ebenso möglich macht wie die Messung der Nachtstunden Sommers wie Winters. Amenemhet ist ein schlauer Fuchs, denn seine Wasseruhr basiert eben nicht auf der Beobachtung der Himmelskörper. Stattdessen definiert sie Zeiteinheiten, indem das Wasser schlicht aus einem Behälter in einen anderen strömt. Einfach, aber genial.

Amenemhets Prinzip wird Jahrhunderte später für die Sanduhr genutzt, die sich ab dem 14. Jahr-hundert verbreitet. Ein paar Jahrhunderte früher, etwa ab 900 n. Chr. macht die Kerzenuhr die Runde. Auch sie kann die Zeit unabhängig von Tag und Nacht anzeigen. Das Prinzip: Die Kerze braucht immer eine zuvor definierte Zeit zum Abbrennen. Ob Sonne, Wasser oder Kerze - die Zeitmessung ist ein Herrschaftsinstrument. Privat kann sich kaum jemand eine „Uhr“ leisten. Um den Menschen aber trotzdem Orientierung zu geben, etwa bei den Gebetszeiten oder den Öffnungszeiten der Stadttore, kommt im Mittelalter in Mode, die Glocken zu bestimmten Tageszeiten zu läuten.

Als die ersten mechanischen Uhren gelten die sogenannten Räderuhren. Mit ihrer Erfindung um 1300 ist der Beginn des Uhrmacherhandwerks verbunden. Zunächst sind es einfache Tischuhren, die in den reicheren Klöstern zur Gebetsanzeige rufen oder vom Türmer zum zeitgenauen Anschlagen der Glocken verwendet werden. Erst später gelangt die Räderuhr als Turmuhr ins Blickfeld des Volkes. Zu der Zeit sind es noch Einzeigeruhren, die lediglich anzeigen, was die Stunde geschlagen hat. Und auch das meist nicht so genau – bei der Exaktheit haben Turmuhren den ausgereiften Sonnenuhren nichts entgegenzusetzen. Übrigens: Erst im 17. Jahrhundert kommt ein zusätzlicher Minutenzeiger auf die Uhr.

Mit der Erfindung der Taschenuhr wird die Zeitmessung endlich etwas für Jedermann. Voraussetzung dafür ist allerdings die Erfindung der Zugfeder, die Energie für das Uhrwerk speichert und die Uhr dadurch vom Aufstellort löst. Anfang des 16. Jahrhunderts verbindet der Schlossermeister Peter Henlein aus Nürnberg als einer der ersten die Feder mit einem Gangregler und lässt dadurch die Uhr auf Taschenformat schrumpfen. Als „Nürnberger Eieruhr“ wird sie weltberühmt.

300 weitere Jahre braucht es, ehe die Armbanduhr zum neuesten Schrei wird. Erfunden wird sie zunächst für Damen, die Uhren lieber am Arm statt in der Tasche herumtragen. Männer machen um die Kleinuhr lange einen Bogen; erst im Ersten Weltkrieg gelingt ihr als Fliegeruhr der Durchbruch. Nun spielt auch das Marketing eine immer größere Rolle. Die wasserdichte Uhr von Rolex, die durch die Durchquerung des Ärmelkanals durch Mercedes Gleitze am 7. Oktober 1927 berühmt wird, sowie die Automatikuhr (1923 von John Harwood erfunden) gibt dem Armbanduhren-Handwerk den entscheidenden Schwung. Spätestens jetzt wird der Luxusgegenstand dank technischer Innovationen und hoher Stückzahlen zum Alltagsprodukt.

Je mehr Uhren im Umlauf kommen, desto höher wird das Streben nach immer mehr Präzision. Dem tragen Erfindungen wie der Federantrieb, die Unruh und das Pendel als Gangregler und die Entdeckung des Isochronismus Rechnung. Eine Zäsur ist die Quarzuhr, die zwar bereits 1921 erfunden wird, doch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Räderuhr weitgehend ablöst. Noch genauer ist die 1949 erstmals eingesetzte und heute in Wissenschaft und Raumfahrt verwendete Atomuhr. Die Funkuhren, deren Zeitanzeigen per Funksignal mit Atomuhren abgeglichen werden, geben deren Präzision seit den 1960er Jahren an die Allgemeinheit weiter.

Innovationen sind die im 19. Jahrhundert erfundenen Stoppuhren oder Stempeluhren. Der mechanische Wecker, 1847 von Antoine Redier patentiert, ist ein Produkt der Industrialisierung.

Bis heute ist nicht Schluss an der zeitlosen Zeit-Front: Heute bieten Uhren mehr als die Zeitangabe. Immer mehr Funktionen und Informationen am Handgelenk bieten sogenannte Smartwatches.

Der Funktionsumfang bietet dem Träger die Möglichkeit, auf kleinstem Raum alle möglichen Daten zu erfassen, diese aufzuzeichnen und versenden zu können. Die Zeitanzeige wird da beinahe schon zur Nebensache.

Autor: juj