67. Ausgabe, 4. Quartal 2017

Aufbruch in die Zukunft

Land, Landkreise und Städte werden digital

Die Digitalisierung, dank der nahezu unbegrenzt Daten und Informationen gefunden, durchsucht, verarbeitet, ausgewertet, ausgetauscht und gespeichert werden können, tangiert nahezu alle Bereiche von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft. Die Landkreise Sachsen-Anhalts betrachten diese Entwicklung sowohl als Chance als auch Herausforderung und haben sich dazu Mitte September 2017 in einem gemeinsamen Strategiepapier positioniert. Ihre digitalen Internet-Angebote müssen in den nächsten Jahren zielstrebig weiter ausgebaut werden, da Zug um Zug neben herkömmlichen Kontaktmöglichkeiten wie persönliche Besuche, Post und Telefon auch online bereitgestellte Verwaltungsdienste treten werden.

„Dabei muss jeder Landkreis seinen Weg im Rahmen der Organisationshoheit selbst finden“,

wird betont. Wenn der Gesetzgeber dafür aber Verpflichtungen vorgibt,

„hat er die damit einhergehenden Mehrbelastungen konnexitätsgerecht auszugleichen“,

fordert die Landkreisversammlung. Eine Anschub-finanzierung des Landes von 10 Mio. Euro/Jahr wird als erforderlich angesehen zur Umsetzung der Beschlüsse des IT-Planungsrates und anderer Gemeinschaftsprojekte.

Das bedarf aber einer abgestimmten Ziel- und Maßnahmenplanung zwischen Land und Kommunen, was nicht kurzfristig parallel zum Gesetzgebungsverfahren erfolgen kann, reagiert die Landesregierung auf diese Forderung und schreibt dies auch in den Entwurf ihres „Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt“. Es beschäftigte zwei Wochen nach Verabschiedung des Strategiepapiers der Landkreise in erster Lesung Sachsen-Anhalts Landesparlament. Das E-Government-Gesetz soll das elektronische Verwaltungshandeln sowie die Organisation und Koordinierung der Informations- und Kommunikationstechnologie verfahrens- und organisationsrechtlich regeln. Betont wird in der Begründung zum Gesetzentwurf, dass man die von den kommunalen Spitzenverbänden vorgetragenen Argumente für einen „Strategiewechsel“ zur Erreichung der Ziele prüfen wolle, da eine „möglichst schnelle Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“ auch nach Auffassung der Landesregierung entscheidend vom Einsatz sächlicher und personeller Ressourcen und von der Befähigung zur Verwaltungsebenen übergreifenden Zusammenarbeit abhängig sei. Konkret soll das E-Govenment-Gesetz die unmittelbare Landesverwaltung verpflichten, ihre Akten spätestens ab dem 1. Januar 2022 elektronisch zu führen und vorrangig elektronisch unterstützt zu bearbeiten, während die Kommunen und andere Träger der mittelbaren Landesverwaltung den Zeitpunkt für die Einführung ihrer elektronischen Akte selbst bestimmen können. Dann aber müssen sie gesetzliche Vorgaben wie Umwandlung von Papier- in elektronische Dokumente, Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Akten und sonstigen Papierdokumenten sowie zur elektronischen Vorgangsbearbeitung beachten, sagte Innenminister Holger Stahlknecht vor dem Plenum.

Und wie stehen die einzelnen im Landtag vertretenen Fraktionen zum E-Government-Gesetz?

Ein „wahrlich sehr anspruchsvolles Gesetz“,

zu dem die Spitzenverbände, die Kommunale IT-UNION und andere bereits sehr umfänglich Stellung genommen haben, erinnerte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben. Er kündigte auf der Landtagsdebatte am 28. September 2017 an, dass es im Innenausschuss erneut eine Anhörung zu diesem Thema geben werde, bei der dann Bedenken und Hinweise nochmals erörtert werden könnten. Für den CDU-Abgeordneten Chris Schulenburg ist der

„Einsatz von elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien beim Erbringen von Verwaltungsleistungen eines der wichtigsten Handlungsfelder einer nachhaltigen Modernisierung der öffentlichen Verwaltung.“

Mit Blick auf die alternde Gesellschaft und die eher dünn besiedelten ländlichen Räume stelle E-Government besonders für den Bürger eine Erleichterung dar, der Behörden künftig via E-Government erreichen könne, unabhängig davon, wie weit er vom jeweiligen Verwaltungssitz entfernt wohne. Anspruch sollte daher sein, dass die Bürger künftig alle Behördengänge, die sie heute offline abwickeln, auch online erledigen können. Bei aller Euphorie sollte sich die öffentliche Verwaltung aber nicht vollständig aus der ländlichen Fläche verabschieden, denn sonst fühlt sich der Bürger im Stich gelassen.

Für Sebastian Striegel von Bündnis 90/Die Grünen kann die digitale Entwicklung nicht nur das Verwaltungshandeln, sondern auch die Möglichkeiten demokratischer Teilhabe verändern und verbessern. Wenn vom vorliegenden Gesetzentwurf die Kommunen bislang nicht erfasst seien, müssen auch diese sich der Digitalisierung stellen. Sie sind in zukünftige Überlegungen einzubeziehen, wenn Verwaltungshandeln für Bürgerinnen und Bürger erreichbarer werden soll.

„Die Modernisierung des Verwaltungshandelns braucht jetzt unseren ganzen Einsatz. Wir Bündnisgrünen … zielen auf eine moderne Verwaltung mit mehr Mut zu Open Data. Mit barrierefreien E-Government-Dienstleistungen und Open Government wird ein entscheidender Beitrag geleistet, um unsere Verwaltung zu modernisieren und Bürokratie abzubauen“,

so der Abgeordnete Striegel.

Endlich liege ein E-Government-Gesetz der Landesregierung vor, sagte Kristin Heiß von der Fraktion DIE LINKE.

„Es war ein langer und behäbiger Prozess bis zu diesem Punkt. Von 2012 bis 2015 tagte eine Enquete-Kommission im Landtag, die sich auch mit diesem Thema beschäftigte“,

erinnerte sie und verwies darauf, dass andere Bundesländer mit ihren Aktivitäten und Gesetzen lange an Sachsen-Anhalt vorbeigezogen sind. Das Land sei ins Hintertreffen geraten, nicht nur, was das E-Government und die elektronische Akte, sondern auch die Basis dafür angehe, nämlich eine ausgebaute und zukunftsfähige digitale Infrastruktur, eine stabile und hochwertige Internetverbindung.

„Nur dann, wenn überall im Land Kommunalverwaltungen, Landesinstitutionen, Schulen und alle Menschen die Möglichkeit haben, das Internet mit Breitbandverbindung zu nutzen, macht auch ein E-Government-Gesetz Sinn.“ Zu klären wäre aus Sicht der LINKEN noch, inwiefern durch das Gesetz Mehrkosten für die Kommunen entstehen. „Dafür müssen wir gemeinsame Lösungen finden.“

Alle Verwaltungsebenen müssen konsequent zusammenarbeiten, forderte Matthias Lieschke für die AfD. Ein Gesetz allein könne dies nicht leisten. Die Ausstattung in allen Ebenen mit moderner Hardware sei sofort erforderlich, aber zu befürchten, dass die Kommunen mit den Aufgaben wieder alleingelassen werden. Weil die kommunale Selbstbestimmung ein hohes Gut ist, wäre auch zu prüfen, ob das E-Government-Gesetz in die Selbstbestimmung eingreift oder nicht. Die AfD-Fraktion halte ein alle kommunale Ebenen umfassendes Datenmanagement-System für unabdingbar und bei konsequenter Nutzung sogar für einen großen Einsparfaktor. Doch dürften die Daten der Bürger nicht in den Händen Dritter sein. Darum sollte der aktuelle Datendienstleister ebenfalls auf den Prüfstand.

Der Gesetzentwurf wurde am 29. September 2017 von den Abgeordneten einstimmig in den Innen- und zur Mitberatung in den Finanz- und den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Wann er abschließend im Parlament beraten und verabschiedet wird, ist noch ungewiss.

Autor: Gudrun Oelze