Der Experte vor Ort

Wenn das Netzwerk ausfällt, der Drucker streikt oder die Telefonanlage stumm bleibt, dann muss es schnell gehen. So benutzerfreundlich digitale Technik auch ist, wenn sie nicht funktioniert, wird es zappenduster in unserem Leben. Auch in unseren Rathäusern. Um zuverlässig arbeiten zu können und für den Fall der Fälle gewappnet zu sein, genügt die „Fernverwaltung der IT-Systeme“ nicht. Kluge Verwaltungsleiter wissen, was sie an kompetenten IT-Verantwortlichen und Administratoren im eigenen Haus haben. So wie Verbandsgemeindebürgermeister Michael Olms aus der Verbandsgemeinde Beetzendorf-Diesdorf. Der lässt auf seinen „IT-Mann“ Thomas Böder nichts kommen. Der server begleitete den Gemeinde-Administrator einen Tag.

Im Winter fährt Thomas Böder im Dämmerlicht zur Arbeit. Von Salzwedel nach Beetzendorf. 25 Kilometer. In 25, manchmal in 30 Minuten, ist es geschafft. Wenn sich die Straße durch die Wälder und Wiesen schlängelt, nimmt er vorsichtshalber den Fuß vom Gas. Rehe, Füchse, Igel, Bisamratten, jüngst sogar Wölfe. Es vergeht kaum eine Woche, in der sich nicht Blech und Tier begegnen. Die Altmark ist so tierreich wie dünn besiedelt. Nicht einmal 13.500 Menschen leben in der Verbandsgemeinde, das macht 25 auf den Quadratkilometer (zum Vergleich: In Magdeburg sind es 1.186, in Halle sogar 1.771). Die Entfernungen von einem Ende zum anderen sind groß. Zwischen Winterfeld und Schmölau liegen viele Dörfer, 45 Kilometer und fast eine Stunde Fahrzeit. Autobahnen gibt es nicht; nicht einmal eine für die Daten, mit denen Thomas Böder sein Geld verdient.

Der Begriff „schnell“ ist in mancherlei Beziehung für die Altmark eher ungeeignet. Hier ist das  Leben weniger hektisch als anderswo. Deswegen mag hier aber trotzdem niemand von gestern sein. Politiker legen sich ins Zeug, damit wenigstens die Daten bald nicht mehr kriechen, sondern wenigstens so schnell wie in mittleren Großstädten unterwegs sind. Mehr Breitband, weniger Funklöcher, dafür kämpft man in der Region.

Thomas Böder beseitigt einen Papierstau im Kopiergerät.
Thomas Böder beseitigt einen Papierstau im Kopiergerät.

Es ist 7.30 Uhr. Thomas Böder hat es mit seinem Nissan durch die altmärkische Idylle geschafft. Ohne einem Vierbeiner zu nahe gekommen zu sein. Auf seinem Schreibtisch liegt ein Zettel: „Kopierer spinnt, bitte mal nachschauen?“ Da muss der Muckefuck eben warten. Eine Verwaltung ohne Kopierer, das geht gar nicht. Das wäre wie ein Dorf ohne Kirche, ein Auto ohne Benzin, die Altmark ohne Baumkuchen. Das Problem ist schnell gelöst. Papierstau.

Zeit für die Mails. 57 neue. Quergelesen, kurzer Check. Zwei dulden keinen Aufschub. Die erste kommt aus der Grundschule. Das Internet ist ausgefallen. Böder weiß, was das bedeutet: Das Computerkabinett ist tot, die Smartboards nicht nutzbar, die Rechner im Sekretariat offline. Er ahnt die Ursache und greift zum Hörer. Er nimmt seinen Joker, die neulich „erbeutete“ Durchwahl-Nummer zur Telekom-Störungsstelle. Es dauert trotzdem noch 10 Minuten, ehe der richtige Mitarbeiter dran ist: „Ihr wolltet doch die Grundschule Beetzendorf von analog auf IP umstellen ...“ – „Ja, ist erledigt!“ – „Und wann gibts die Zugangsdaten und den neuen Router?“ – „Ist doch schon vor Tagen raus.“ – „Nichts angekommen.“ Ups. 200 Puls. Nun kommen die Zugangsdaten per Mail sofort. Auf den Router per Post will Böder nicht  warten: „Ich hole mir einen aus dem Telekom-Shop raus.“ Eine Stunde später steht Administrator Böder im Schulfoyer. Rainer Bubke wartet schon: „Tachschen, Tachschen, Facility-Manager Bubke stets zu Diensten!“ Der Mann hat Humor. Und Seele. Bubke ist in seiner Schule das Mädchen für alles und so ganz nebenbei Böders Joker für Telefonanlagen aller Art. Gemeinsam stöpseln sie im Serverraum ein paar Anschlüsse um und im PC-Kabinett den neuen WLAN-Router an. Die  neuen Zugangsdaten eingegeben und schon ist die Schule wieder online. Schnell checken die beiden Männer, ob das WLAN auch tatsächlich bis ins Lehrerzimmer reicht. Alles bestens.

Verbandsgemeindebürgermeister Michael Olms im Gespräch mit Thomas Böder.
Verbandsgemeindebürgermeister Michael Olms im Gespräch mit Thomas Böder.

Zurück im Büro. Thomas Böder läuft auf dem Flur Verbandsgemeindebürgermeister Michael Olms in die Arme: „Mensch Thomas, gut dass ich dich treffe. Sag mal, reichen die Toner noch für die Lohnabrechnungen? Die Sekretärin meint, dass es nach der Steuer eng werden könnte.“ Thomas Böder kennt das Thema schon. Seit im Haus bekannt ist, dass die Verwaltung durch Beitritt in die KITU-Genossenschaft auf eine langwierige europaweite Ausschreibung für neue IT- und Druckertechnik verzichten kann, glaubt mancher, schon morgen wird die neue Technik geliefert. Wunschträume.

Böder weiß, wie man Menschen überzeugt – mit Tatsachen zum Anfassen. „Komm mit“, sagt er zum Bürgermeister und eilt in den Kopierraum. Er zeigt auf zwei Pappkartons: „In jedem ist eine Kartusche, jede reicht locker für 20.000 Drucke.“ Bürgermeister Olms nickt: „Selbst wenn es mit der neuen Technik noch dauert, damit kommen wir bis zum Sommer klar.“ Olms ist kein ausgewiesener Sparfuchs, aber einer, der ungern wegwirft: „Kommen die neuen Drucker und Kopierer sind die alten Toner überflüssig. Muss ja nicht sein.“

Beetzendorf-Diesdorf steht eine grundlegende technische Erneuerung ins Haus. Thomas Böder weiß, dass fünf Jahre alte Computer an ihre Grenzen kommen: „Die Fachverfahren werden immer umfangreicher. Seit jeder mit seinem Handy hochauflösende Fotos machen kann, dokumentieren viele ihre Vorgänge auch optisch. Je mehr Bilder, desto mehr Nachweise. Doch die fressen Speicher und Geschwindigkeit. Seit einem Jahr liegen mir die Leute in den Ohren, dass das System immer langsamer wird.“ Zum Glück hat er mit Bürgermeister Olms einen Chef, der die Zeichen der Zeit sieht und überzeugend seine Ortsräte „einfängt“, um im Haushalt die Mittel dafür loszueisen. Er weiß auch, dass kleine Verwaltungen schon lange nicht mehr alles allein machen können: „Wir sind der KITU beigetreten, weil wir uns das Knie ja nicht dauernd da aufschlagen müssen, wo es anderen schon dutzendmal passiert ist.“

Die Runderneuerung der IT ist für Thomas Böder die Herausforderung des Jahres. „Ich freue mich aber darauf, denn es erleichtert am Ende allen die Arbeit und dümmer werde ich dabei sicher nicht.“ Die IT-Erneuerung ist das eine, sie geht einher mit der Telefonanlage. Auch dafür ist Thomas Böder so etwas wie der unsichtbare Dirigent, der wie ein Geist dafür sorgt, dass die 45 Mitarbeiter in den Kernverwaltungssitzen Beetzendorf und Diesdorf ihren Job machen können: „Mit der Umstellung auf VoiceOver IP wird gleich die komplette Telefonanlage erneuert.“

Rainer Bubke und Thomas Boeder
Gemeinsam stöpseln Facility-Manager Rainer Bubke und Thomas Böder im Serverraum der Grundschule Beetzendorf ein paar Anschlüsse um.

Das wird auch seinen Job erleichtern. Dann wird ein Blick auf das Smartphone reichen, um alle drei Server zu checken, eventuelle Netzausfälle in den Verwaltungen oder in den 15 Kitas, in den 5 Grundschulen, in den 40 Freiwilligen Feuerwehren oder den zwei  Bibliotheken rechtzeitig zu bemerken. „Bei 170 Mitarbeitern, die Zugang zum Netzwerk haben, kann immer mal was passieren“, weiß Böder aus Erfahrung. Administratoren wie er sind es gewohnt, das Handy immer in der Nähe zu haben. Die meisten von ihnen sind täglich im hauseigenen Netzwerk. Auch die Räte und Mitarbeiter in den acht Mitgliedsgemeinden und den 94 Ortsteilen greifen mehr oder weniger oft auf die Server zu. Die Dinger müssen laufen, sonst wird die altmärkische Ruhe himmlisch. Da ist es in der Altmark nicht anders als überall sonst in der modernen Welt. Gehen im Netz die Lichter aus, geht nichts mehr. Es ist der Job von Thomas Böder, das zu verhindern oder, wenn es doch mal geschieht, ohne großen Schaden schnell zu beenden.

Und immer mahnend den Finger zu erheben, wenn es mal wieder vogelwild wird im Ratsnetz. Regelmäßig verschickt er Mails und hält Schulungen, um vor Viren, Spam und Phishing zu warnen. Zehntausende davon filtert die Software zwar automatisch raus. Trotzdem aber kommen täglich ein paar durch: „Seltsame Anhänge nicht zu öffnen ist das A und O. Und wenn es doch geschieht, dann zählt jede Minute, um zu erfahren, an welchem PC es passiert ist.“

Doch damit nicht genug. Thomas Böder kümmert sich um die Webseite der Verbandsgemeinde auf Joomla Basis, hat einen internen Bereich für Gemeinderäte gebaut und will zeitnah auf das bekannte Ratsinformationssystem umstellen. Er liefert Fotos für das Gemeindeblatt „Findling“ und kümmert sich ein-, zweimal die Woche als Administrator auch um die IT-Systeme der Stadt Arendsee.

Und privat? Da spielt er in seinem eigenen Tonstudio elektronische Musik ein und hat zwei seltsam analoge Hobbys. „Ich repariere alte Filmprojektoren, Schreibmaschinen und Röhrentechnik.“

Text und Fotos: juj