
66. Ausgabe, 3. Quartal 2017
Erfolgsgarant Infrastruktur
Die Digitalisierung verändert unser Leben – wie wir uns informieren, wie wir einkaufen, wie wir uns unterhalten lassen. Jeder Lebensbereich ist davon betroffen, ob auf gesellschaftlicher, politischer oder wirtschaftlicher Ebene. Ein unumgänglicher Prozess, der hier und da in unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortschreitet.

Bei vielen Themen gibt es stets Kritiker und Befürworter – so auch bei der Digitalisierung. Sie gefährdet Jobs, sagen die einen und untermalen ihre Kritik beispielsweise mit einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die in Deutschland etwa fünf Millionen Arbeitsplätze durch die Digitalisierung gefährdet sieht. Der Chef der Landesarbeitsagentur, Kay Senius, geht in einem Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung davon aus, dass in Sachsen-Anhalt etwa 115.000 Jobs von der Digitalisierung negativ betroffen sein werden. Relativiert wird diese Aussage dadurch, dass Experten starke Arbeitsplatzverluste für unwahrscheinlich halten, sondern vielmehr Veränderungen bei Berufsbildern und in gewissen Aufgabenbereichen sehen.
Befürworter hingegen sehen in der Digitalisierung Chancen für Wachstum. Wirtschaft und Wissenschaft und diverse andere Bereiche sollen davon profitieren. Vor allem für kleine und mittlere Unternehmen spielen digitale Kompetenzen eine entscheidende Rolle. Und egal, wie man es dreht und wendet, ob Kritiker oder Befürworter, die Digitalisierung lässt sich nicht verhindern. Daher sollte niemand die Augen vor den Möglichkeiten verschließen, sondern sich an der Gestaltung des Prozesses beteiligen.
Zwar galt das „Ursprungsland der Reformation“ – zumindest laut Autobahnbeschilderung – bis vor kurzem als „Land der Frühaufsteher“, einige Trends wurden jedoch in der Vergangenheit verschlafen. Immerhin: Es bewegt sich etwas in Sachsen-Anhalt. Das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung erarbeitet in Kooperation mit anderen Fachressorts eine „Digitale Agenda“, die derzeit – laut vorgegebenem Fahrplan ihren Feinschliff erhalten dürfte. Stichworte wie Wirtschaft 4.0, Arbeit & Ausbildung 4.0, Digitalisierung von Verwaltungsprozessen sowie IT-Sicherheit & Datenschutz spielen u.a. eine Rolle. Auch mit dem „Partnernetzwerk Wirtschaft 4.0“, das Anfang des Jahres an den Start ging, um regionale Aktivitäten im Bereich der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Verbreitung technologischer Neuentwicklungen nachhaltig zu bündeln, wurde ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Zudem soll das Land ein in Magdeburg angesiedeltes „Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum“ erhalten. Die vom Bundeswirtschaftsministerium eingerichteten Zentren – elf existieren bereits – sollen kleine und mittlere Unternehmen in Fragen des digitalen Wandels sowie bei der Vernetzung beraten und unterstützen.
Das Hauptaugenmerk des Digitalisierungsprozesses liegt jedoch auf dem Ausbau der digitalen Infrastruktur, um überhaupt ideale Rahmenbedingungen für die Entwicklungen schaffen zu können. Beim Breitbandausbau hinkt Sachsen-Anhalt derzeit hinterher. Laut Breitbandatlas des TÜV Rheinland (Stand: Ende 2016) verfügt noch nicht einmal jeder zweite Haushalt im Bundesland über einen leistungsfähigen Internetzugang. Während die drei Stadtstaaten eine Versorgung mit 50 Mbit/s von mindestens 90 Prozent vorweisen können, belegt Sachsen-Anhalt mit 48 Prozent den letzten Platz im Bundesvergleich (Brandenburg: 62, Mecklenburg-Vorpommern 57, Sachsen 58, Thüringen 59 Prozent). Die Landesregierung hatte sich das Ziel gesetzt, dass bis Ende 2018 flächendeckend schnelles Internet verfügbar sein soll. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) hatte die Erwartungen, den Zeitplan einhalten zu können, jedoch in einem Gespräch mit dem MDR gedämpft.
Autor: th