78. Ausgabe, 3. Quartal 2020

Home-Office: komplizierte Rechtslage mit viel Potential

Im Gespräch mit Rechtsanwalt Frank Meyer

Der Lockdown hat dem Home-Office neuen Schwung verliehen. Manch Arbeitnehmer ist auf den Geschmack gekommen und möchte nun häufiger von zu Hause aus zu arbeiten. Auch Arbeitgeber haben die Angst verloren, dass die Produktivität in den eigenen vier Wänden leidet. Über die rechtlichen Voraussetzungen sprachen wir mit Frank Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Magdeburger Kanzlei Remmers, Robra, Meyer.

Rechtsanwalt Frank Meyer, Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Kann der Arbeitgeber einseitig Home-Office anordnen oder kann der Arbeitnehmer darauf bestehen, von zu Hause zu arbeiten?
Grundsätzlich besteht für den Arbeitgeber nicht die Möglichkeit, einseitig und ohne Zustimmung des Arbeitnehmers die Arbeit im Home-Office anzuordnen. Dies wäre nur denkbar, wenn bereits eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine einschlägige Betriebsvereinbarung existiert, was derzeit noch den Ausnahmefall darstellen dürfte. Andererseits ist aber auch der Arbeitnehmer an die arbeitsvertragliche Vereinbarung gebunden und damit in der Regel verpflichtet, seine Arbeit im Betrieb zu erbringen. Es bedarf deshalb für beide Arbeitsvertragsparteien einer entsprechenden Vereinbarung über eine Tätigkeit im Home-Office. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat gebildet ist, kann zudem im Wege einer Betriebsvereinbarung das Arbeiten im Home-Office geregelt werden.

Muss der Betriebsrat beteiligt werden?
Wenn einer vorhanden ist, muss er zwingend beteiligt werden, da zumindest dessen Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG betroffen ist. Ein Betriebsrat bietet dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit, eine abstrakt generelle Vereinbarung über Arbeit im Home-Office in Form einer Betriebsvereinbarung zu treffen.

Muss der Arbeitnehmer am eigenen PC mit seinem eigenen Drucker und seinem eigenen Telefonanschluss arbeiten?
Nein. Die notwendigen Arbeitsmaterialien im Home-Office, insbesondere der PC oder Laptop sowie die Peripheriegeräte müssen grundsätzlich vom Arbeitgeber gestellt werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit, andere Regelungen zu treffen.

Was gilt es zum Thema Datenschutz im Home-Office zu beachten?
Sämtliche datenschutzrechtlichen Vorschriften insbesondere also nunmehr diejenigen der DSGVO müssen auch im Home-Office beachtet werden. Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass sämtliche datenschutzrechtlichen Vorgaben durch den Arbeitnehmer auch bei dessen Tätigkeit im Home-Office beachtet werden.

Muss ich im Home-Office die Arbeitszeitregelungen beachten?
Auch im Home-Office gilt zunächst die arbeits- oder tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeit. Darüber hinaus sind bei der Tätigkeit im Home-Office die Regelungen des öffentlichen Arbeitszeitrechts, also das Arbeitszeitgesetz und die Arbeitszeit-Richtlinie der EU zu beachten. Dies hat der Arbeitgeber sicherzustellen, um nicht mit Sanktionen der zuständigen Behörde beispielsweise in Form von Bußgeldern rechnen zu müssen. Der Arbeitgeber ist deshalb beispielsweise verpflichtet, die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG durch den Arbeitnehmer zu überwachen.

Wer ist im Home-Office für den Arbeitsschutz verantwortlich?
Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat für die Tätigkeit im Home-Office keine Ausnahmen vorgesehen, sodass beispielsweise die Arbeitsstättenverordnung oder die Bildschirmarbeitsplatzverordnung auch im Home-Office uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Da der Arbeitgeber die Einhaltung dieser Vorschriften sicherstellen muss, bedarf es einer entsprechenden Überwachung. So wird der Arbeitgeber entweder in einer Betriebsvereinbarung oder arbeitsvertraglich Regelungen dazu vereinbaren müssen, in welchem Umfang er beispielsweise berechtigt ist, in der Privatwohnung des Arbeitnehmers zu kontrollieren, ob die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften beachtet werden.

Wer haftet für Schäden im Home-Office?
Eine schwierige Problematik, die die Rechtsprechung in Zukunft stark beschäftigen dürfte. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Haftungsregelungen und insbesondere die Haftungserleichterungen für Arbeitnehmer bei betrieblich veranlasster Tätigkeit auch im Home-Office.

Ist die Tätigkeit im Home-Office unfallversichert?
Die reine Arbeitstätigkeit im Home-Office ist gesetzlich unfallversichert. Die Rechtsprechung hat sich jedoch immer wieder mit Fällen zu befassen, in denen nicht von vornherein klar ist, ob ein Unfallgeschehen im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit oder mit der Wahrnehmung der privaten Lebensführung steht. Die erforderliche Abgrenzung zwischen einem in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützten Betriebsweg und einer sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit kann im Einzelfall durchaus schwierig sein. So hat das Bundessozialgericht beispielsweise entschieden, dass kein Arbeitsunfall vorliegt, wenn eine Arbeitnehmerin im Home-Office die Küche in ihrer Privatwohnung aufsucht, um ein Glas Wasser zu holen und dabei verunfallt.

Wie ist die Rechtslage, wenn ein Mitarbeiter freiwillig Arbeit mit nach Hause nimmt? Riskiert er arbeitsrechtliche Sanktionen, obwohl er eigentlich im Interesse des Arbeitgebers handeln wollte?
Sofern die Mitnahme betrieblicher Unterlagen oder beispielsweise eines betrieblich zur Verfügung gestellten Laptops nicht ausdrücklich untersagt ist, ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, Unterlagen oder Laptop beispielsweise im Anschluss an eine Dienstreise auch mit nach Hause zu nehmen. Sofern er oder sie dann kurzzeitig Arbeitstätigkeiten zu Hause verrichtet, stellt dies regelmäßig keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar.

Ab wann wird aus dem stillschweigenden Dulden von mobiler Arbeit ein Anspruch des Mitarbeiters?
Hier kommt es auf den konkreten Einzelfall an, allerdings dürfte die bloße Duldung durch den Arbeitgeber keinen arbeitsvertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers begründen, auch in Zukunft die Arbeitsleistung ausschließlich im Home-Office erbringen zu dürfen.

Das Bundesarbeitsministerium arbeitet an einem gesetzlichen „Recht auf Home-Office“. Was hätte dies für rechtliche Konsequenzen?
Die erheblich umstrittene Absicht des BMAS zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung würde sicherlich in vielen Bereichen eine größere Rechtssicherheit schaffen. Allerdings handelt es sich um eine äußerst komplizierte Materie, bei der aber auch in grundrechtsrelevante Bereiche eingegriffen würde. Eine umfassende Regelung zu einem „Recht auf Home-Office“ stellt aber im Hinblick auf die erheblichen Unterschiede in den einzelnen Berufen ein äußerst anspruchsvolles Vorhaben des Bundesgesetzgebers dar. Meine Prognose hierzu ist, dass es ein derartiges Gesetz zeitnah kaum geben wird.

Hand aufs Herz: Arbeiten Sie persönlich lieber im Home-Office oder in der Kanzlei?
Hätten Sie mir diese Frage vor 5 Jahren gestellt, hätte ich sie wohl kaum verstanden. Mittlerweile arbeiten wir in der Kanzlei aber schon lange digital und auch der Rechtsverkehr mit den Gerichten ist mittlerweile digitalisiert, sodass ich tatsächlich regelmäßig sowohl aus der Kanzlei als auch remote arbeite.

Autor: juj