59. Ausgabe, 4. Quartal 2015

Ihre Daten sind sicher … viel wert

Informationen für die punktgenaue Werbung

Wovon träumen Sie nachts? Die Antwort auf diese Frage dürfen Sie für sich behalten, viele andere Informationen nicht. Social Media-Interessen, Internetbestellungen und Surfgewohnheiten, Standort und Adresse, Alter und Geschlecht, Gesundheit und Familienstand – diese Daten interessieren für punktgenaue Werbung. Wo Nachfrage besteht, blüht auch der Handel, und so gibt es jede Menge Firmen, die mit den gefragten Nutzer-Daten Geschäfte machen.

Am teuersten sind Informationen über Wendepunkte im Leben wie Heirat oder Scheidung, Umzug und Jobwechsel, je detaillierter desto wertvoller. Krankheit, Schwangerschaft, Beruf, Hochzeit, der Wunsch abzunehmen, ein Haus oder Auto kaufen zu wollen, sind kostbare Informationen.

Die „Financial Times“ hat bei Firmen in den USA nachgefragt, die im großen Stil mit persönlichen Daten handeln, und hat ausgerechnet: Für einen Mann aus Stuttgart, Alter 62, frisch geschieden, zwei Kinder, besitzt ein Haus, interessiert sich für Essen und Finanzen, mag Kreuzfahrten, leidet an Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht und macht gerade eine Diät, summieren sich die Centbeträge für die Einzelinformationen auf 1,1203 US-Dollar. In Tausender-Paketen werden die Daten verkauft. Den Strom der Informationen aufhalten kann niemand, aber jeder sollte sich wohl überlegen, wie viel er von sich preisgeben möchte. Zum Beispiel bei der Frage, ob der Partner fürs Leben über ein Vermittlungsportal gesucht werden soll. Es könnte passieren, dass die Aufforderungen verschiedenster Anbieter, mit ihrer Hilfe doch endlich das Singledasein zu beenden, kein Ende nehmen, obwohl das Paar längst im Hafen der Liebe festgemacht hat. Und aufgepasst bei der Bücherbestellung: Einmal „Die heilende Kraft der Steine“ geordert, schon steckt der Nutzer über Monate oder Jahre in der Esoterik-Schublade fest. Und die online bestellte Baby-Erstausstattung als Geschenk für die Schwester zieht automatische Werbeangebote für Schnuller, Windeln und Spielzeug nach sich.

Drei von vier Internetnutzern ist diese Werbeflut lästig, der vierte aber schätzt laut Umfragen die gezielte interessenbasierte Ansprache. Auch Softwareentwickler David Sonnabend (32) aus Potsdam sagt:

 „Als Verbraucher habe ich etwas davon, dass ich unkompliziert und schnell bestellen kann und dass ich Vorschläge bekomme, die zu meinen Interessen passen.“

Aber der „gesunde Menschenverstand“ sollte immer präsent sein, betont Sonnabend. Für ihn heißt das, nur bei verlässlichen Online-Shops einzukaufen und immer nur die nötigsten Daten anzugeben. Soziale Netzwerke wie Facebook meidet er nicht nur, um nicht zu viel von sich preiszugeben, sondern auch, „weil ich die Zeit sinnvoller nutzen will.“ Wer sich bei Facebook und WhatsApp die Zeit vertreibt, muss ohnehin wissen, dass auch der Anbieter mitliest: Es fehlt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, monierte die Stiftung Warentest.

Smartphonenutzung  © PantherMedia | novintito

„Beim Umgang mit persönlichen Daten sind mehr als die Hälfte der Anbieter einfach schlecht“,

lautete im Sommer das Fazit des Tests von neun Messengerdiensten. Automatische Zugriffe auf den Standort des Nutzers, das Auslesen des Telefonbuches oder die Klarnamenpflicht bei der Registrierung gehörten zu weiteren Kritikpunkten. Millionen Nutzer scheint das nicht zu erschrecken, sie benutzen nicht einmal die vorhandenen Datenschutzeinstellungen.

Nachdem der österreichische Jurist Max Schrems erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Speicherpraxis von Facebook geklagt hat, weiß die Öffentlichkeit auch, dass sich die auf US-amerikanischen Servern gespeicherten Daten europäischer Nutzer nicht im „sicheren Hafen“ befinden. Mit seinem Urteil vom 6. Oktober 2015 hat der Europäische Gerichtshof das Safe-Harbor-Abkommen zwischen EU-Kommission und USA für ungültig erklärt. Wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe mitteilte, betrifft das Urteil nicht Facebook allein. Rund 5.500 US-Unternehmen speichern demnach europäische Kundendaten in den Vereinigten Staaten und US-Geheimdienste können nahezu uneingeschränkt darauf zugreifen.

Wer sicher sozial netzwerken will, sollte es mit dem aktuellen Warentest-Sieger versuchen, das ist die deutsche App Hoccer. Der Messenger für iOS und Android ist für private Anwender kostenlos, er ist anonym und scannt keine Daten. Die volle Verschlüsselung direkt auf dem Gerät sichert, dass nur die jeweiligen „Freunde“ die Nachrichten lesen können. Vorbildlich.  

Aber wer kennt Hoccer?

Autor: bek